Wacken Open Air 2016 – Bier, Schlamm & Heavy Metal

Tausende Metaller rund um die Welt haben ihre sieben Sachen gepackt und sich auf den Weg nach Schleswig Holstein in ein kleines, beschauliches Kaff gemacht, das bereits zum 27ten Mal Schauplatz für das größte Metal Festival der Welt wurde. Natürlich geht es hier um nichts Geringeres als das Wacken Open Air. Dieses Jahr fand das Festival, das bereits seit Längerem als Urlaubsziel für so manchen neugierigen Nicht-Metaller missbraucht wird, vom 04. bis 06. August statt. Traditionsgemäß spielten jedoch bereits am Mittwoch auf den kleineren Bühnen einige Bands. 2016 konnte das W:O:A stolze 84.500 Personen verzeichnen – kein neuer Rekord, aber wie schon die letzten Jahre eine mehr als beachtliche Zahl! Dafür gab es einige andere Neuerungen: Das Metalbörse-Händlerzelt auf dem Festivalgelände wurde abgeschafft und durch den Beer Garden ersetzt, der zuvor auf der anderen Seite des Geländes platziert war. Der Wrestling Ring wurde aus dem Zelt, in dem sich die Headbangers und die W.E.T. Stage befinden, ausgelagert und in ein eigenes Zelt daneben verfrachtet. Die Namen der beiden Hauptbühnen wurden etwas verkürzt und lauten nun Black Stage und True Stage. Zu guter Letzt wurde anlässlich der aktuellen Situation in Deutschland ein Taschen- und Rucksackverbot für das Festival ausgesprochen, das die Sicherheit in der Menge erhöhen sollte.


Mittwoch


Am Warm-up Tag des Festivals war den hartgesottenen Besuchern durchaus schon abwechslungsreiches Programm geboten. Bespielt wurden die beiden Zeltbühnen (W.E.T. und Headbangers Stage), die Wackinger Stage, der Beer Garden und die Wasteland Stage. Auf den Zeltbühnen hatten wieder einmal Nachwuchs Bands aus aller Welt die Chance als Metal Battle Band vor dem Wacken-Publikum zu spielen. Der Metal Battle Contest wurde vor Jahren ins Leben gerufen, um die Metalszenen rund um den Erdball zusammenzubringen und talentierten Newcomern aus den verschiedensten Ländern eine Plattform zu geben, auf der sie sich beweisen können. Vor Ort wird den Bands dann ein Forum aus Produzenten, Labels etc. geboten, damit sie die Möglichkeit zum Start in eine Karriere bekommen können. 2016 zeigten sich die Metal Battle Bands wie gewohnt sehr international. Die auftretenden Bands kamen unter anderem aus Argentinien, Bulgarien, Estland, Indien, Japan, Mexico, Rumänien oder Südafrika.

Die Neugier auf die teils exotischen Bands war auch bei uns groß, weshalb wir am Nachmittag einen kurzen Blick ins Zelt warfen. Zu dieser Zeit war gerade die Band Lynchpin zu Gange, die aus dem fernen Trinidad und Tobago anreiste. Eigenwillig, hart und technisch abgestimmt ballerten die Herren ihre Progressive Death Metal Riffs umher. Das Publikum zeigte sich nicht abgeneigt und ging teilweise gut mit. Nach 20 Minuten Spielzeit war allerdings schon wieder Schluss. In den fünf Minuten Pause zwischen den Bands betrat Jeff Waters, der Sänger und Lead Gitarrist der Thrash Metaller von Annihilator, die Bühne. In diesem Jahr hatte er die Ehre das Metal Battle zu moderieren und bewies, dass er nicht nur als Musiker, sondern auch als Moderator und Entertainer bestehen kann. Nach Lynchpin betrat die Band lieViel aus Bulgarien die Bühne. Stilistisch bewegte sich die Band im gleichen Gefilde wie Lynchpin und präsentierte sich dennoch deutlich härter und mit leichten Core-Einflüssen. Die beiden Bands waren definitiv ein guter Einstieg in das diesjährige Wacken Open Air und machten Lust auf mehr!


Donnerstag


Nach dem Warm-up Tag konnte das Festival den ersehnten ersten offiziellen Festivaltag einläuten. Bespielt wurden am Donnerstag auch die Hauptbühnen mit Ausnahme der Party Stage, die erst am Freitag zum Einsatz kommen sollte. Musikalisch war so einiges geboten: Von Saxon über Vader und Whitesnake bis hin zu The Black Dahlia Murder und natürlich Iron Maiden!

Zombies Ate My Girlfriend
Unser Tag startete mit der letzten Metal Battle Band auf der W.E.T. Stage. Aus Südafrika angereist betraten Zombies Ate My Girlfriend die Bühne. Nicht nur, dass die Jungs definitiv unter den Top 5 der lustigsten Band Namen der Metal Battle Bands landen würden, auch ihr Auftreten war einprägsam: Fünf Männer, fünf verschiedene Looks. Das sagt natürlich nichts über ihre musikalische Qualität aus, war aber durchaus nett anzusehen. Musikalisch betrachtet begeisterten sie innerhalb von 20 Minuten auf ganzer Linie. Ihre Interpretation von Melodic Death Metal traf genau den Nerv des Publikums, das die Band ordentlich bejubelte. Ihre Hingabe und ihr Feuer waren bis in die letzte Reihe im Zelt zu spüren und überzeugten vollends, weshalb sie auch verdienterweise den Metal Battle 2016 auf dem Wacken Open Air gewannen und neben 5000 Euro von der Wacken Foundation sich über Sachpreise freuen durften.



Saxon
Weiter ging es zu einer schockierend frühen Zeit mit Saxon auf der Black Stage. Mit dem Titelsong ihres aktuellen Albums „Battering Ram“ starteten sie um Punkt 16 Uhr in den Nachmittag und drehten zur Begeisterung des Publikums ordentlich auf. Wenig verwunderlich bei der Bühnenerfahrung, die Biff Byford und seine Mitstreiter an den Tag legen können. Mit einer ausgewogenen Mischung aus alten und neuen Songs bestritten die Alt-Heavy Metaller – bis auf eine kurze technische Störung – die 75 Minuten Spielzeit mit Bravour. Auch nach mittlerweile 37 Jahren versteht die Band eine sehenswerte Performance abzuliefern. Dazu gehören natürlich einschlägige Songs wie „Wheels of Steel“ oder „Princess of the Night“, die generationsübergreifend begeisterten. Es bleibt zu hoffen, dass die Platzierung in der Running Order 2016 ein kleiner Ausrutscher in der Organisation war und in zukünftigen Jahren, in denen Saxon hoffentlich wieder auf dem W:O:A spielen dürfen, ein späterer Platz auf sie wartet.



Foreigner
Nach Saxon betraten die Classic Rocker von Foreigner die Black Stage, vor der sich mittlerweile ein noch größerer Pulk an Menschen angesammelt hatte. Die Vorfreude auf diesen Auftritt war groß, da die Band bei weitem nicht mehr zu den regelmäßigen Vertretern auf Rock- und Metalfestivals gehört. Das Sextett rund um den Sänger Kelly Hansen, welcher seit 2005 Teil der Band ist,  zeigte sich von der ersten Sekunde an stark. Die Songauswahl war durchaus gelungen, da man nicht bis zum Ende des Konzerts warten musste, um typische Klassiker hören zu können. „Feels Like The First Time“ oder „Cold As Ice“ waren nicht die einzigen Highlights ihres Auftritts – um nur ein paar zu nennen. Die Show hätte zwar an so mancher Stelle etwas ausgefallener sein können bzw. Kelly Hansen hätte manchmal einen etwas glücklicheren oder motivierteren Gesichtsausdruck an den Tag legen können, da so vereinzelt das Gefühl aufkam, dass er weniger Spaß an der Sache hat. Nichtsdestotrotz war es ein sehr gelungener und sehenswerter Auftritt, der instrumental wie auch stimmlich absolut stark war!



Whitesnake
Bleiben wir in der Kategorie Classic Rock und gehen direkt zu den nächsten großen Vertretern: Whitesnake! Auch diese etwas in die Jahre gekommenen Herren haben glücklicherweise den Weg nach Norddeutschland auf sich genommen, um wieder einmal zu zeigen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Einen sauberen Start legten sie mit „Bad Boys“ hin – einem wahren Ohrwurm der Briten, der immer wieder gute Laune bereitet. Stimmlich bewies David Coverdale, dass er an frühere Leistungen ohne Probleme herankommt. Doch nicht nur er, sondern die gesamte Band lieferte von Anfang bis Ende ab: „Is This Love“, „Still Of The Night“ oder „Here I Go Again“ sorgten nicht ohne Grund für anhaltende Jubelchöre vom Feinsten und eine Gänsehaut, die gar nicht enden wollte. Es ist genau diese Art von Songs, die eine Band wie Whitesnake zu den ganz großen macht und über Jahrzehnte hinweg präsent bleibt. Auch nach Jahren an Bühnenpräsenz haben Whitesnake somit ihr gewisses Etwas nicht verloren und bringen auch 2016 noch reihenweise Metal-Herzen zum höher schlagen.

Iron Maiden
Im Anschluss an Whitesnake war es endlich soweit, worauf gefühlt alle Anwesenden sehnsüchtig gewartet haben: Der Vorhang der True Stage fiel und Iron Maiden erschien auf der Bühne. Für die Briten war dieser Auftritt bereits der zehnte auf dem Wacken Open Air. Eine Zahl, die sich definitiv sehen lassen kann! Neben diesem kleinen Jubiläum war der Auftritt auch deshalb ein besonderer, da er die letzte Show der aktuellen „Book Of Souls“-Tour war und somit ihre umfangreiche Tour gebührend in Wacken abgeschlossen werden konnte. Wie bereits auf dem Rockavaria zelebrierten sie ihre Setlist mit einer typischen Iron Maiden Show. Für „The Trooper“ schmiss sich Bruce Dickinson wie gewohnt in eine Uniform, kämpfte mit dem überdimensionalen Eddie und riss ihm, nachdem sich auch einer der Gitarristen mit ihm ein paar Späße erlaubte, brutal das Herz aus der Brust, quetschte das Blut heraus und warf das übrig gebliebene Herz in die tosende Menge. Man kann einfach nicht oft genug dabei zusehen, wie Bruce Eddie zum Erliegen bringt. Etwas später wurde es äußerst affig: Bruce stülpte sich eine Affenmaske über und bewaffnete sich ausgiebig mit Bananen, die er dann sorgfältig in der Menge verteilte. Auch wenn die ein oder andere Banane möglicherweise ins Auge ging, der Anblick von Bruce alias Donkey Kong war einprägsam und einmalig! Songtechnisch boten die Briten eine breite Masse an alten und neuen Songs an, die an der ein oder anderen Stelle mit etwas zu langen instrumentalen Solo-Passagen ausgedehnt wurden, aber dennoch auf jede Menge Anklang stieß. Bei solch einer Show kann man schon mal ein Auge zudrücken. Iron Maiden bestanden trotz etwas schlechterer Soundqualität als gewohnt den Abend grandios und hinterließen eine vom Regen durchnässte, aber glückliche Horde an Metallern.

Insgesamt war der Donnerstag quantitativ betrachtet etwas durchwachsener, qualitativ dafür überzeugend. Die Hoffnungen auf gutes Wetter und ein schlammfreies Festival hatten sich allerdings nach relativ kurzer Zeit in Luft aufgelöst. Odin war es im letzten Jahr wohl noch nicht nass genug auf den norddeutschen Wiesen, weshalb er es das ein oder andere Mal ordentlich aus Eimer gießen ließ. Bleibt zu hoffen, dass der Freitag deutlich trockener ausfällt.


Freitag


Der zweite Tag sollte laut sämtlicher Wetter Apps sonnig und ohne Regen starten. Verwunderlich war es dann doch etwas, als auf dem Weg von der Dusche zurück zum Zelt ein Regenschauer vom andern Stern überraschend herunter prasselte – klassisches Pech würde ich sagen. Nicht nur wettermäßig, sondern auch musikalisch war an diesem Freitag Abwechslung geboten: von Beyond The Black über Axel Rudi Pell zu 1349, Blind Guardian, Caliban und dem Late-Night-Act Testament war alles vertreten.

Beyond The Black
Bereits zum dritten Mal innerhalb ihrer kurzen Karriere hatten Beyond The Black die Ehre auf dem Wacken Open Air auftreten zu dürfen. Dieses Jahr haben sie es immerhin bereits auf die Party Stage geschafft. Sehr bedauerlich aber, dass momentan eher weniger die Rede von der Band Beyond The Black sein kann als von der One-Woman-Show Jennifer und ihre Aushilfsmusiker. Kurz vor dem Festival wurde bekannt gegeben, dass sich die Sängerin und der Rest der Band voneinander trennen und ab sofort jeder eigene Wege gehen wird, da die Zukunftspläne nicht mehr übereingestimmt haben. Da musste schnell Ersatz her, damit die geplanten Gigs auch stattfinden konnten. Selbst wenn sich das Management erhofft hat, dass dies keine Auswirkungen auf die musikalische Qualität hat, hat es sich getäuscht! Stimmlich zeigte sich Jenny anfangs etwas schwächer als gewohnt. Ob sich ein Zusammenhang zur zunehmenden Höhe ihrer Schuhe herstellen lässt, bleibt dahingestellt. Schnell fand sich die junge Sängerin wieder in ihre Rolle ein, jedoch der Rest der Band nicht so ganz. Platt gesehen haben sich die Musiker keine Fehler erlaubt und ihren Auftritt sauber durchgezogen. Gefühlt hat jede Menge auf der Bühne gefehlt: Die Musiker waren nicht mit Herz und Seele dabei, zogen einfach nur ihr Ding durch ohne besondere Ambitionen, was mehr als schade ist. Genau das hat Beyond The Black in der Vergangenheit ausgemacht, dass der Zusammenhalt und die Liebe zur Musik groß waren und sie bei jedem Auftritt genau das transportieren konnten. Insgesamt also ein durchschnittlicher Auftritt der Deutschen.



tuXedoo
Parallel zur Party Stage war im Beer Garden ordentlich was geboten: Die österreichischen Buam von tuXedoo ließen es gscheid krachen. Da wurde im Publikum gebrüllt, da wurde auf den Tischen getanzt – und das schon am späten Mittag. Respekt kann man da nur sagen! Die Mattighofener, die mittlerweile zu sechst sind, wissen einfach, wie sie ihr Publikum animieren und unterhalten können. Mit ihrer ganz eigenen Art von Metalcore, dem Alpencore, haben sie eine Nische für sich entdeckt, die so richtig einschlägt! Mit dazu trägt selbstverständlich ihre lustige, natürliche und umtriebige Art bei. Bereits auf dem Rockavaria in München konnten sie sich dieses Jahr erfolgreich unter Beweis stellen. Auf Wacken konnten sie diesen Erfolg locker übertreffen, da sie sogar am dritten ihrer vier Tage, an denen sie auftraten, immer noch den gesamten Beer Garden zum Beben brachten! Bleibt zu hoffen, dass es für Hons, Mök, Påz, Dü, Kiwi und Kopal so erfolgreich weitergeht und sie noch viele Tische zum Wackeln bringen.


 
Axel Rudi Pell
Vom Alpencore ging es direkt weiter zu einem klassischen Vertreter des Heavy Metals: Axel Rudi Pell. Die Band rund um den deutschen gleichnamigen Gitarristen hat im April diesen Jahres die erste Hälfte ihrer umfassenden Tour bereits absolviert und tummelt sich derzeit auf dem ein oder anderen Festival umher, bevor es im September zum zweiten Teil ihrer Tour geht. Axel, sein Sänger Johnny Gioeli und der Rest der Band waren sichtlich motiviert dem Wacken-Publikum richtig einzuheizen. Mit sauberem Gesang, geilen Riffs und jeder Menge Spaß fegten die Männer über die Bühne und lieferten eine rundum gute Show ab! Die Mühe lohnte sich, da die Heavy Metaller mit ohrenbetäubendem Gejubel gefeiert und verabschiedet wurden. Wieder einmal eine runde Sache, wie man es von der Band kennt.



Girlschool
Zeit für etwas Abwechslung inmitten der von Männern dominierten Bands: Im Zelt auf der W.E.T. Stage legten die Ladies der britischen Heavy Metal Band Girlschool los. Die bereits seit den späten 1970er Jahre rockenden Frauen zogen mit harten Riffs, lauten Rock-Röhren und auffallenden Outfits schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Zu Beginn rissen Kim McAuliffe, Enid Williams und Co. die Menge gut mit. Mit der Zeit flachte die Faszination um das Quartett leider etwas ab. Als reine Frauenband sind Girlschool ein wahres Vorbild für die Metal Welt, dennoch ist ihre Musik nicht so eingängig, dass der Wunsch nach einer sofortigen Wiederholung des Auftritts aufkommt. Ein Erlebnis war es trotzdem,die Rockladies live erlebt zu haben.


Ektomorf
Unmittelbar nach Girlschool machten es sich die Jungs von Ektomorf auf der Headbangers Stage gemütlich, vor der sich eine regelrechte Menschenmenge angesammelt hatte. Von der ersten Sekunde an ging das Publikum ohne Ende ab. Eindeutig Geschmackssache, da sich die Ungaren musikalisch eher Richtung Soulfly und Co. einreihen. Für diejenigen, die sich mit der Musik identifizieren können, war es ein wahnsinnig kraftvoller und überzeugender Auftritt, für andere war es eher stumpfsinniger Krach, auf den man auch gut verzichten hätte können. Bei Ektomorf spalten sich definitiv die Geister!



Bullet For My Valentine
Zurück bei den Hauptbühnen starteten die Briten von Bullet for My Valentine. Wie schon zuvor am Novarock eröffneten sie ihre Show äußerst stark und rockten die True Stage würdevoll. Mit einer gelungenen Mischung aus älteren Songs ihrer Anfangszeit, die jedes Mal wieder auf großen Anklang stoßen, und neueren Werken entertainten sie das Wackinger Publikum. Bis auf zwei kleinere Texthänger bei „Hands Of Blood“ spielten Matthew Tuck und seine Männer eine astreine Show, wie es sich für einen Gig auf einer der Hauptbühnen des Wacken Open Airs gehört.



Alcest
Für einen krassen stilistischen Wechsel sorgten die Franzosen von Alcest, die umhüllt von blauem Licht auf Headbangers Stage erschienen. Neige, der Frontmann der Post-Rocker, versteht es, diese besondere Atmosphäre binnen Sekunden zu erschaffen, die es einem erlaubt, sich komplett auf seine Musik einzulassen und in schönen Träumen zu schwelgen. Im Vergleich zu Ektomorf war das Zelt während des Auftritts von Alcest zwar nicht mehr so überfüllt, dafür waren nur Personen anwesend, die diese besondere Art von Musik zu schätzen wissen. Konzerte von Alcest sind jedes Mal wieder aufs Neue eine eindrucksvolle und wunderschöne Erfahrung, auf die man nicht verzichten möchte. Definitiv eines der absoluten Highlights des Festivals!

Blind Guardian
Pünktlich um 22.30 Uhr betraten Hansi Kürsch und seine Bandkollegen die True Stage und wurden laut jubelnd in Empfang genommen. Mit ihrem äußerst epischen Power Metal starteten Blind Guardian, die neben Iron Maiden und Twisted Sister als Headliner auf dem W:O:A spielten, in die frühe Nacht. Die Freude der deutschen Band war groß, wieder einmal auf diesem Festival auftreten zu dürfen und von einer derartig großen Menschenmenge in Empfang genommen zu werden. Auf inzwischen 29 Jahre können sie mittlerweile zurückblicken – eine stolze Zahl, die sich auch an ihrem routinierten Auftreten bemerkbar macht. Die Setliste der Deutschen bot eine gute Mischung an älteren und neueren Songs, wobei Ohrwürmer wie „Nightfall“ natürlich nicht fehlen durften. Nach 90 Minuten voll epischstem Power Metal war für die Band Schluss und hinterließen eine glückliche Metal Meute.



Der zweite Festivaltag neigte sich unglücklicherweise schneller dem Ende zu als erhofft. Bedauernswert war definitiv, dass eine Metal Größe wie Testament erst um 01.45 Uhr zum Zug kamen und das nach einem gut gefüllten Tag eine Uhrzeit war, die nicht mehr erreicht werden konnte. Ansonsten war der Freitag auf dem Wacken Open Air von jeder Menge musikalischer Vielfalt geprägt, die nicht von schlechten Eltern war. Auch das Wetter pendelte sich immer mehr ein, so dass man die Konzerte deutlich besser genießen konnte. Es bleibt weiter spannend, was der Musik- und Wettergott sich alles für den letzten Festivaltag im hohen Norden ausgedacht hat.


Samstag


Der dritte und letzte Festivaltag fing etwas ambivalent an. In den frühen Morgenstunden schien die Sonne, obwohl durchgehend Regen angesagt war. Binnen von Minuten zog der Himmel zu, verdunkelte sich und schüttete gefühlt alles an Regen herunter was auf Lager war. Glücklicherweise legte sich das Unwetter verhältnismäßig schnell, so dass einem erfolgreichen letzten Tag fast nichts mehr im Weg stand. Bandmäßig war auch an diesem Tag viel geboten: von Dragonforce über Symphony X, Metal Church, Gloryhammer, Twisted Sister und Arch Enemy war alles dabei.

Symphony X
Unser letzter Festivaltag startete mittags mit einer bisher noch zu wenig gewürdigten Größe des Progressive Metals: Symphony X. Auftritte der Amerikaner sind in Deutschland leider eine Seltenheit, weshalb die Vorfreude auf diesen besonders groß war. Um die aktuelle Song-Gier zu stillen, stimmten die Männer rund um den Gitarristen Michael Romeo ihren Gig direkt mit „Nevermore“, einem Song ihres aktuellen Albums „Underworld“, dem sie den ersten Teil der Setliste widmeten, ein. Da durften großartige Songs wie „Without You“ oder „To Hell And Back“ auf keinen Fall fehlen. Wer bisher noch kein Fan der Band war, wurde es sicherlich im Laufe dieses Auftritts! Nach den aktuellen Songs widmeten sich Symphony X auch den älteren Stücken ihrer Karriere und verfehlten damit nicht die gewünschte Wirkung im Publikum. Wer es allerdings versteht, solch technisch höchst anspruchsvolle Musik so auf den Punkt und mit Leidenschaft wie auch Herzblut zu performen, wie es Russell Allen und seine Bandkollegen taten, der braucht sich nicht über jede Menge Jubel und Applaus wundern. Das einzige Manko der Show war, dass die Band zum Bedauern des Publikums etwas zu früh aufhörte zu spielen. Ignoriert man diese Tatsache, war der Auftritt der Progressive Metaller großartig und einfach nur geil.



Steel Panther
Wenn sich reihenweise Männer mit bunten Leggings, Perücken und bauchfreien Tops auf den Weg Richtung Bühne machen, dann ist alles klar: es ist Steel Panther Zeit! Die Hair Metaller, die mit einer gehörigen Portion Selbstironie und Hang zum Parodismus gesegnet sind, schaffen es regelmäßig ein großes Publikum um sich zu scharen – so auch hier in Wacken. Musik ist bei den Amerikanern allerdings nicht das vorrangig Interessante (auch wenn die Musik durchaus Spaß macht). Das Faszinosum des Quartetts liegt eindeutig in ihrer Show. Ich kenne kaum eine Band, die zwischen ihren Songs knapp zehn Minuten lang eine kurze Entertainment Einlage dazwischen schiebt und das Publikum damit nicht langweilt, sondern nur noch mehr aufstachelt und begeistert. Da fallen Sätze wie „Ich habe einen Ständer“ und „Er hat einen kleinen Schwanz“. Am bemerkenswertesten ist es jedoch, dass es wohl kaum möglich ist öfters die Wörter „fuck“ oder „motherfucker“ in dieser kurzen Zeit zu verwenden. Wer jetzt auf den Gedanken kommt, so etwas sei ausgelutscht, der hat weit gefehlt! Die selbstironischen Witze und Spitzen beispielsweise gegen den Bassisten, der natürlich der Dümmste der Band ist und deshalb lieber still sein sollte und gleichzeitig gut aussehen muss, sind jedes Mal aufs Neue höchst amüsant. Am beeindruckendsten ist definitiv die Tatsache, dass es in der heutigen Zeit wohl kaum eine Band schafft, dass mehr Frauen im Publikum freiwillig ihre Brüste zeigen, als wenn Steel Panther sie freundlich dazu auffordern. Respekt die Herren, ihr wisst wie der Hase läuft!



Triptykon
Nach den bunten Steel Panthern folgte auf der Black Stage das düstere Ritual von Triptykon. Im Hintergrund ein großes Gemälde eines Gekreuzigten, im Vordergrund einige umgedrehte Kreuze (wie sie sich auch im Bandlogo enthalten sind), Rauch und Fackeln, die die andächtige Stimmung nur verstärkten. Gleichzeitig senkt sich die Sonne am Horizont langsam hinter den sichtbaren Baumwipfeln herab. Ob dieses Szenario diabolisch von den Veranstaltern ausgeklügelt wurde oder blanker Zufall war, wird sich nicht klären lassen, aber sicher ist: alles passte zusammen, die Stimmung war perfekt. Zeit für eine volle Ladung von schwermütigem Black Metal! Thomas Gabriel Fischer, der Kopf der Band und erfahrener Musiker im Bereich Black/Death, und seine Bandkollegen betraten die nebelumhüllte Bühne und lösten direkt großen Jubel bei den eingefleischten Fans aus. Statisch und düster performten sie ihre Show und verzichteten auf besonders auffallende Einlagen oder Ähnliches, was dem Gesamtbild allerdings keinen Abbruch tat. Ihr rauer und ursprüngicher Sound bedurfte keiner besonderen Ausführung, sondern transportierte einfach und direkt die Message, die bei den Zuhörern ankommen sollte. Eine durchaus gelungene Abwechslung zum vorherigen Programm!



Twisted Sister
Zu einem wahrlich besonderen Abend ließen es Twisted Sister werden, denn der heutige Auftritt auf dem Wacken Open Air sollte zu ihrer allerletzten Show in Deutschland werden. Die Band ist bereits das bisherige Jahr auf großer Abschiedstournee, die unter dem Motto „40 and Fuck It“ steht. Nach 40 Jahren im Musikgeschäft darf man sich durchaus zurückziehen, obwohl es immer wieder schmerzhaft ist, wenn wahre Metal Größen wie Twisted Sister die Bühne für immer verlassen. Diesen Umstand betonte Dee Snider zu Beginn ihrer Show besonders. Die Abschiedstournee von Twisted Sister soll etwas tatsächlich Endgültiges sein und nicht eine Art von Abschied wie bei den Scorpions oder anderen, die bereits zum gefühlt tausendsten Mal auf Abschiedstour sind. Weiter plauderte er etwas aus dem Nähkästchen, dass die Band das letzte Mal vor 13 Jahren in Wacken spielen durften und der damalige Abend etwas ganz besonderes war, sie aber vorhaben, diesen mit dem heutigen Auftritt definitiv zu toppen. Und so viel kann schon mal verraten werden: Es ist ihnen gelungen! Dee Snider, John French, Eddie Ojeda, Mark Mendoza und Mike Portnoy hatten sich musikalisch wieder einmal übertroffen und ließen sich zu keiner Sekunde anmerken, wie lange sie eigentlich wirklich im Musikbusiness tätig sind. Besonders Dee, der mit seinen 61 Jahren mit gestähltem Körper inklusive Sixpack über die Bühne hüpft, läuft und bangt, überzeugt und überwältigt mit seiner Hingabe und seinem Sinn für Entertainment. Besonders genial war ihre Darbietung von „Burn in Hell“, bei der zu Beginn lediglich rote Scheinwerfer aus dem Bühnenboden Dee anstrahlten, der diabolisch posend den Song einstimmte. Eine teuflischere Stimmung hätte die Band nicht erzeugen können – wahrlich schauderhaft schön! Auch mit Feuereinlagen auf der Bühne wurde nicht gegeizt, um ihrem Publikum so richtig einzuheizen. Neben diesen darstellerischen Besonderheiten punkteten Twisted Sister auf ganzer Linie auch mit typischen Klassikern wie „We're Not Gonna Take It“ oder „I Wanna Rock“. Alle bisherigen Shows der Glam Rocker, die sie in diesem Jahr absolvierten, waren bereits tolle Konzerte, die einer Abschiedstournee würdig waren. Ihr Auftritt auf dem Wacken Open Air schaffte es dennoch, alle vorherigen Shows über die Maßen in den Schatten zu stellen (und das, obwohl sie bedauerlicherweise 20 Minuten zu früh zu spielen aufhörten). Die Bühne, die Musik, die Show – einfach alles war grandios und perfekt aufeinander abgestimmt. Ein denkwürdiger Auftritt, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Danke Twisted Sister für 40 Jahre unglaubliche Jahre voller bunter und aufregender Musik, die den Metal für immer nachhaltig verändert hat.

Arch Enemy
Gefühlt war es jetzt eine echte Herausforderung, Twisted Sisters Darbietung musikalisch wie auch künstlerisch zu übertreffen. Da dieser Abend für die Melodic Death Metaller von Arch Enemy jedoch ein besonderer werden sollte, da ihr Konzert auf dem Wacken Open Air die Aufnahmen für ihre kommende Live-DVD werden, konnte sich die Metal Meute auf so einiges gefasst machen. Sichtlich gespannt und voller Vorfreude stand eine riesen Traube an Fans vor der Black Stage und wartete auf Alissa White-Gluz und Co. Als der Vorhang endlich fiel, bot sich ein außergewöhnlicher Anblick: ein Bühnenbild, wie man es sich eigentlich bei jeder Band wünschen würde. Ein riesiges umgedrehtes Pentagramm schmückte auf einem weißen Banner den Hintergrund der Bühne. Weiter vorne hingen ebenfalls Banner von der Bühnendecke, auf denen nur die Schriftzeichen der Band aufgedruckt waren. Diese sollten nach den ersten zehn Minuten des Auftritts unter einem lauten Knall von der Bühne fallen und das wahre Bühnenbild freilegen. Das typische Arch Enemy Auge befand sind im Hintergrund, daneben sakral angehauchte Figuren und jede Menge Scheinwerfer. Doch nicht nur die Bühne sah toll aus, auch der Auftritt war es. Alissa, die erst seit 2014 Teil der Band ist, weiß ganz genau, wie man eine sagenhaft geniale Show abliefert. Man ist es von den Shows der Band gewohnt, dass sie jede Menge Action im Blut hat, aber an diesem Abend legte sie nochmal ordentlich was drauf. Noch mehr als sonst, sprang sie herum, poste und bangte was das Zeug hielt. Auch die Stimmung im Publikum lag ihr besonders am Herzen und animierte ihr Publikum gefühlt pausenlos. Nicht nur ihre Performance an sich, sondern auch ihre gesangliche Leistung war einwandfrei. Sie growlte, als würde es um ihr Leben gehen und verlieh den Songs dadurch die zusätzliche Härte und Melodie, die sie benötigten. Auch der Rest der Band lieferte so richtig ab. Jeff Loomis, Michael Amott, Sharlee D’Angelo und Daniel Erlandsson zeigten ebenso, was sie musikalisch alles auf dem Kasten haben. Bei diesem Auftritt konnte das Wackener Publikum nicht anders als schier auszuflippen. Egal ob alte oder neue Songs, die Menge grölte mit und feierte die Band bis zum Schluss. Die besondere Performance von Arch Enemy und der übermäßige Pyroeinsatz fielen an diesem Abend deutlich auf und rundete das Festival mehr als gebührend ab. Es mag sein, dass die Aufnahmen für die Live-DVD natürlich den ein oder anderen Einfluss auf die Qualität des Auftritts hatten und dass die reine Anwesenheit einer verdammt scharfen Metal Frontfrau, die eben nicht in hohen Schuhen auf der Bühne herumtänzelt, sondern voller Power herumspringt, nicht von Nachteil für die Band ist. Nichtsdestotrotz boten die Schweden einen sehr gelungenen Abschluss für Wacken, der noch länger im Gedächtnis bleiben könnte.

Auch dieses Jahr hieß es auf dem größten Metal Festival im beschaulichen Norddeutschland wieder „Rain or Shine“, was seit einigen Jahren leider immer wieder auf dem Tagesprogramm steht. Wettermäßig stand auch 2016 unter keinem guten Stern. Jede Menge Matsch und abwechselnd Regen und Sonnenschein machten das W:O:A zu einem wiederkehrenden Abenteuer. Doch von solchen Kleinigkeiten ließen sich die Festivalbesucher nicht so schnell kleinkriegen. Die Laune der Anwesenden war ungebrochen und der Bierdurst wie immer groß (leider macht der Veranstalter keine genaueren Angaben zum tatsächlichen Bierkonsum der Leute). Musikalisch war auch 2016 wieder einiges geboten, so dass jeder Metal Fan auf seine Kosten kam. Die Headliner lieferten großartige Shows ab und auch bei den Metal Battle Bands waren einige Schmankerl dabei. Verhungern musste ebenfalls niemand der Besucher, da die Stände wie gewohnt eine riesige Auswahl boten. Für die Anwesenden, die mehr nach reinem Entertainment suchten als nach Konzerten, war ebenfalls ein pralles Programm vorhanden (notfalls hätte man sich tatsächlich auch gut ohne die Bands auf dem Festival vergnügen können). Bis auf die Berge an Müll, die auf vielen Camps erneut zurückgelassen wurden war das Wacken Open Air auch 2016 ein rundum erfolgreiches Festival, von dem man im Grunde nur glücklich nach Hause fahren konnte.

Bilder: Manuel Miksche

Text: Conny Pläsken