Wacken Open Air 2012 - Rückblick

2012 – Ein neues Jahr, ein weiteres Wacken Open Air. Natürlich waren wir auch dieses Mal wieder am Start im hohen Norden, wenn es darum geht die Haare zu schütteln und der guten, harten Musik zu fröhnen. Unübertroffen immer noch die einmalige Atmosphäre dieses Festivals, selbst nach langer, ermüdender Autofahrt quer durch Deutschland braucht es nur ein einziges Schild am Zielort, und dem Metaller wir warm ums Herz: „Freu dich, du bist in Wacken“. Und erfreulich war es 2012 allemal, um es etwas untertrieben auszudrücken. Nach den bereits Tage zuvor angekündigten Wetterkatastrophen und den Massen an Regen, die den Veranstaltern die Sorgenfalten ins Gesicht trieben, wurden wir beim Einzug auf den Holy Ground tatsächlich mit Sonnenschein und relativ warmen Temperaturen verwöhnt. Was jedoch den aufgeweichten Boden nicht daran hinderte, den Metalheads die Anreise gründlich zu erschweren: Schwammig und sumpfig wie er war, blieben die vollbepackten Fahrzeuge mehr als nur einmal im Untergrund stecken. Doch wir sind in Wacken, hier hilft man sich, und mit vereinter Wikinger- Kraft kam schließlich jeder zu seinem angestrebten Lagerplatz. Schon am Mittwoch gab es ordentlich was zu sehen, die Headbanger- und W.E.T-Stage, auf denen sich die Teilnehmer des Metal-Battle die Ehre gaben, waren allein wegen des beeindruckenden Zeltes einen Besuch wert. Als eines der größten mobilen Zirkuszelte dieser Welt mit acht turmhohen Masten eröffnete es so viel Innenraum, dass man sich fast noch immer unter freiem Himmel wähnte, mit schummriger rot- blauer Beleuchtung definitiv ein Hingucker. Alle Schlaflosen konnten sich darin schon die erste Nacht mit dem gelungenen Metal- Karaoke um die Ohren schlagen.

Am nächsten Tag schließlich fiel der Startschuss auf den Hauptbühnen, das vielversprechende Line- Up enttäuschte nicht. Wie schon vergangenes Jahr versammelte man sich bei Skyline & special Guests, um sich zusammen auf das Kommende einzuschwören, wie zum Beispiel mit Doro Pesch und ihrer Hymne: „We are the Metalheads“. Hier wurde wie immer die Brüderlichkeit der Metalgemeinde betont, der Auftritt machte ordentlich Stimmung und Lust auf mehr.
Danach heizte Sepultura & Les Tambours du Bronx ordentlich ein, kraftvoll und brachial weckten sie die tiefsten Urängste und bewiesen durch ihr beeindruckendes Blechtonnen- Trommelsolo Kreativität und Innovation.
In schon vorher erwähnten Showzelt konnte man anschließend in den Genuss eines kleines Juwels der melodischeren Art kommen: Amaranthe überzeugte mit drei stimmlich gewaltigen Vocalists, darunter die hübsche und sympathische Elize Ryd, die mit wallender Mähne über die Bühne fegte und die Mengen begeistern konnte.
Damit näherte sich der Abend langsam seinen Höhepunkten zu, U.D.O & special Guests gaben noch mal ordentlich Feuer mit auf den Weg für die Großen des Abends, als Urgesteine des guten, bodenständigen Heavy Metals fühlte man sich sofort in eine Welt der Motorräder, harter Drinks und noch härterer Kerle versetzt. Genau die richtige Basis für ein schönes Wacken! Als fulminantes Finale ein Stelldichein von Udo Dirkschneider (dessen Sohn am Schlagzeug überzeugte), Doro Pesch und Lordi- Frontsänger Tomi Putaansuu, welcher sich als großer Fan Dirkschneiders outete.
Der nächste Gig versprach ein ganz besonderes Schmankerl zu werden: Die Londoner Althelden von Saxon rund um Urgestein Peter „Biff“ Byford zeigten sich zwar ergraut, jedoch topfit von ihrer besten Seite. Stimmecht und hochmotiviert gab das Gespann eine gut gewürzte Zusammenstellung von Hymnen ihrer gesamten Bandgeschichte zum Besten.
Zum Ausklang des Abends zeigten Volbeat der angeheizten Menge noch, wie ein gelungener Genrespagat auszusehen hat und ließen den Abend mit Rock´n Roll- Metal vom Feinsten gekonnt ausklingen.

Nach kühler Nachtruhe hieß es am nächsten Morgen früh aufstehen, zumindest was Festivalverhältnisse betrifft: Die leider völlig unterschätzten Crimes of Passion zeigten im Zelt auf der W.E.T. Stage zur Mittagszeit den tapferen Frühaufstehern, dass sie ihre Schlafsäcke nicht umsonst verlassen hatten: Trotz ungerechtfertigt geringer Besucherzahl wurden mit Feuereifer stimmgewaltige Hymnen vom Stapel gelassen, die das Metalherz höher schlagen lassen. Definitiv ein Geheimtipp, den man sich zu Gemüte führen sollte!
Mit einem Besuch des auch dieses Jahr wieder ausnahmslos gut ausgerüsteten Metal- Markets ließ sich der Auftritt eines inzwischen alten Bekannten verbinden: Auf der kleinen Bühne des Market- Zeltes zeigte Ausnahmedrummer Mike Terrana, was man durch rohe Kraft, Sticks und Fell mit altmeisterlich klassischer Musik anstellen kann: eine perfekte Fusion aus Power und Leichtfüßigkeit, gewürzt mit beinahe unmenschlicher Fingerfertigkeit, die man Muskelpaket Mike kaum zutraut. Alles in allem eine sympathische Kraftdemonstration, bei der Terrana sich seines Rufes als Schlagzeut- Gott mehr als würdig erwies. So sinnvoll konnte man auch elegant dem Gewitter entgehen, das währenddessen auf dem Gelände wütete, und dem sowieso schon überstrapazierten Boden den nassen Rest gab. Von diesem Zeitpunkt an verwandelte sich die grüne Wiese mit jedem weiteren Schnürstiefelschritt unaufhaltsam in eine gigantische, beinahe schon endzeithafte Matschlandschaft.
See you in Wacken – rain or shine. Or mud. Was sich einen echten Metaller nennt, dem macht ein bisschen Dreck natürlich nichts aus, und tatsächlich war der Stimmung mit der radikalen Untergrundveränderung kein Abbruch getan – gut so!
Denn Ausdauer war gefordert, waren es doch Hammerfall, die sogleich die True Metal Stage betraten, und in einem bunt gemischten Programm aus alten Hymnen und Feinkost vom neuen Album zeigten die Schweden, was sie konnten.
Auf das, was darauf auf der Black Metal Stage folgte, war jedoch niemand vorbereitet: Dimmu Borgir setzten mit ihrem gigantischen Orchester neue Maßstäbe was Livemusik angeht. Dutzende Geigen, Pauken, Sänger und Sängerinnen und sogar eine Orgel untermalte die diabolischen Knurrlaute von Frontman Stian Tomt Thoresen und seiner hexenhaften Gastsängerin (die eine wahrlich gute Figur machte! ) auf epische, kolossale Weise. Mit viel Gefühl für Dramatik und Schwerpunkte und einer fein zusammengestellten Feuershow definitiv ein W:O:A - Auftritt, der in die Annalen der Geschichte eingehen wird.
Anschließend, zu später Stunde und nach langer Umbauphase, stimmte sich melancholisch und theatralisch das Intro der Melodic- Death- Aushängeschilder In Flames an, und es versprach nicht zu viel. Zwar zeichneten sich bei den ersten Songs kleine Soundprobleme ab, doch die waren schnell behoben und das Fünfergespann spielte sich mit hoher Qualität und zur Freude der Fans durch alte und neue Lieblingslieder, abgerundet durch ein knapp dreiminütiges Feuerwerk.
Doch Aufbleiben lohnte sich, denn die Gutenachtlieder wurden in den frühen Morgenstunden von Größen wie In Extremo und D:A:D aufgespielt.
Hiobsbotschaften verkündeten die in der folgenden Nacht gegen die Zeltwand klopfenden Regentropfen – war doch allen Autofahrern schon nach dem ersten Gewitter klar gewesen, dass die Abreise zur Rutschpartie werden würde. Jedoch zeigte der Himmel über Wacken keine Gnade: der Regen fiel unregelmäßig weiter, der Schlamm wurde tiefer.
Nichtsdestotrotz erschienen die Metalheads tapfer zum Appel wenn es am frühen Nachmittag hieß: Axel Rudi Pell auf der True Metal Stage, hier mit einem bekannten Gesicht: Mike Terrana an den Drums untermalte den gelungenen Auftritt mit einem ausnahmsweise willkommenen Gewitter aus Doublebase chinesischem Gong.
Ein Fest der ganz anderen Art feierten schließlich die auch bereits im Metal- Olymp angekommenen Amon Amarth: Brachial und dennoch sympathisch stießen die Wikingerkrieger mit den Fans über den Securitygraben hinweg die Trinkhörner zusammen und stimmten altbekannte und vielgeliebte Juwelen der harten nordischen Musik an.
Von den Meisten heiß ersehnt gab es danach noch einen weiteren Höhepunkt zu genießen: Die Helden des deutschen Hard Rock/ Heavy Metals, das Vierergespann der Scorpions, das sich ansonsten ja eher rar in Europa zu machen pflegt. Qualität statt Quantität ist ja bekanntlich ein erfolgreiches Programm, das auch den Fans zugute kommt, und es ging definitiv auf. Fulminant in Musik und Show wurde der Menge so einiger Klassiker um die Ohren gehauen, während gut gesetzte Feuerwerke und tanzende Voodo- Priesterinnen mit Funken sprühenden Metallsägen das Auge verwöhnten.

Einen würdigen Abschluss fand das W:O:A 2012 in den folgenden Gigs von Machine Head, Ministry – die sich innovativ, rebellisch und kompromisslos von ihrer besten Seite zeigten – und Edguy, die als Surprise Act den letzten Akt stellten. Doch Düsteres erahnen ließ der stetig tröpfelnde Regen, der sich nach einem Gewittersturm während den Scorpions eingestellt hatte: Die durch den Schlamm zum Campground Stapfenden sahen ihre Vehikel bereits bis über beide Seitenspiegel im Morast versunken – tatsächlich erwies sich die Abreise als eher maritime Angelegenheit, doch klappten die Fahrten über die Sumpfstraßen für gegebene Verhältnisse erstaunlich gut, und den weniger Glücklichen standen ab 7.00 Uhr morgens über ein Dutzend Tracker zur Seite, um die Heimreise mit Abschleppseilen zu erleichtern.
Als Fazit kann man nur sagen, dass das kleine Dörfchen im hohen Norden mit seiner Festivität auch diesmal nicht enttäuscht und jeden Besucher verwöhnt und begeistert vom Angebot hervorragender Shows nach Hause entlässt.

See you next year – rain or shine.

Text: Christa Bichlmeier