Der August geht in die zweite Hälfte, die Tage werden ein bisschen kürzer, die Nächte sind nicht mehr ganz so lau, doch wie jeder gestandene Hartmetaller weiß kann kein Sommer enden, ohne es auf dem Dinkelsbühler Summer Breeze noch einmal krachen zu lassen. Die Erkenntnis des Zusammenhangs von frühem Aufbrechen und bühnennäheren Campingplätzen schien sich in diesem Jahr deutlich besser herumgesprochen haben als noch 2012: Deutlich länger waren die Autoschlangen, deutlich früher kam man im verwinkelten Anfahrtsbereich zum Stehen. Unverändert die entspannte Atmosphäre, wie jedes Jahr beginnt die Party zwar langsam doch vielversprechend mit dem ersten Abstellen des Motors. Mitfahrer prosten sich zu, es wird spazieren gegangen und gegrölt, und die ersten absurd kostümierten Nachtschwärmer verbreiten gute Laune. Entsprechend kurz fühlt sich die Wartezeit an, gefühlte Augenblicke später tuckelte man auch schon über die holprigen Campground- Wege und machte sich am zugewiesenen Standort daran eine anständige Zeltstadt aus dem Boden zu stampfen. Der anschließend erste planende Blick in die Running Order zeigte jedoch deutlich, dass der Tag noch lange nicht vorbei sein würde. Im Laufschritt Marsch gen Partystage also, wo u.a. Walking Dead On Broadway, Dahaca, Stormborn und May the Silence Fall das riesige Zelt sogleich zur altrömischen Arena erklärten und sich eine dementsprechend heiße Schlacht um den begehrten New Blood Award lieferten. Hier gab es feinstes Frischfleisch aus allen Facetten der geliebten harten Musik, und ein jeder der brav angetretenen Metalheads sollte auf seine Kosten kommen. Bis selbst den zähesten dann um drei Uhr früh doch endgültig die Augenlider zu Blei wurden konnte man sich nach dem erbitterten Kampf um den Neublutpreis noch von Schmankerln wie Vader und Exodus die Trommelfelle massieren lassen.
Ein Genuss, den man sich gegönnt haben sollte, gab es in der ersten Festivalnacht hingegen rein gar nichts zu genießen: In völlig unverhältnismäßiger Eiseskälte zitterte sich so mancher harte Langhaarträger völlig verstört aus dem eigentlich verdienten Schlummer. Entsprechend gebeutelt, jedoch mit ungebrochenem Willen schälte sich der harte Kern Donnerstags dennoch schon früh aus den klammen Zelten. Hieß es doch schon Mittags den New Blood Award - Siegern Stormborn einen gebührenden Empfang zu bereiten: Hochverdient und mit ordentlich Feuer unterm Hintern bedankten sich die Londoner Powermetaller beim treu versammelten Publikum und zeigten auch allen die es Mittwochs nicht mehr ins Zelt geschafft hatten wer der Boss auf der Pain Stage war.
Auch danach blieb es blutig, hieß es doch unmittelbar danach: Main Stage frei für First Blood! Knallhart und kompromisslos wie immer prügelten die amerikanischen Hardcore- Punker den schnell auf die Beine kommenden Moshwilligen den Schlaf aus den Nacken. Gewohnt gut kam auch die zähnefletschende Freibeutercrew von Alestorm an, mit Säbelrasseln und hohem Tempo mischten sie gekonnt die bereits aufgekommene Tanzwut mit einer gehörigen Portion Ausgelassenheit. Kurz darauf hatten Soilwork nach verpatztem Wacken- Auftritt hier die Chance, ihre Ehre wiederherzustellen, und schon nach wenigen Minuten war klar: Die Mannen um Hauptmann Bjørn Strid ließen sich nicht lumpen. Topfit und mit deutlich besserem Sound sollte dies einer der Soilwork- Auftritte werden, den sich jeder Diehard immer gewünscht hat. Entsprechend bewegungsfreudig reagierte das Publikum, Haare und Fäuste flogen in Hundertschaften. Genreverwandt und nicht weniger kraftvoll ging es danach mit den jungen Wilden von We Came As Romans auf der Pain Stage weiter. Sympathisch und mit ansteckend hoher Motivation ließen sie die bereits aufgeheizt von Soilwork kommende Menge überkochen.
Etwas völlig neues gab es schließlich während einer kleinen Atempause beim APES Basislager auf Campground J zu bestaunen: Nach den bereits bekannten abgeklebten Oben- ohne- Abschnitten und Slow- Motion- Bereichen erfreute sich unsere Rangelzone rasant wachsender Beliebtheit. Hier konnten die körperlich unausgelasteten unter den Breezelern auf freundschaftliche Weise die Muskeln spielen lassen und im spaßigen Zwei- oder Mehrkampf ein Foto mit dem hochwertigen selbsgebastelten Rangelpokal gewinnen. Alle Sieger und Besiegten können in der zugehörigen Galerie bestaunt werden. Danke für soviel Körpereinsatz!
Gleichzeitig gab es jedoch auch auf dem Infield viel zu sehen: Korpiklaani riss mit aufgedrehtem finnischen Humppametall die Massen mit sich und verwandelten den gepflasterten Pit in einen tanzenden Schmelztiegel. Genau die richtige Temperatur für einen nicht ganz so bibeltreuen Gottesdienst der anderen Art mit Powerwolf. Ordentlich Feuer, Show und Laune ließen den Auftritt in die Annalen der Breezegeschichte eingehen. Ein Fest im Anschluss auch der Auftritt von Sabaton: Supersympathisch und musikalisch vollendet ließen es die Schweden ordentlich krachen. Auch auf der Summer Breeze´schen Main Stage leerte Grinsebacke Joakim Brodén jedes vom Publikum lautstark geforderte Bier und tauschte gegen Ende der Show sogar seine ikonische Plattenpanzerweste mit der eines Fans, womit er diesem wohl den glücklichsten Festivalmoment seines Lebens bescherte.
Auch die zweite Breez´sche Nacht zeigte der Zeltstadt ihre eiskalte Schulter. Unbarmherzig kroch sie durch jeden noch so dicken Schlafsack und raubte so manche Stunde dringend benötigten Schlaf. Und der war dringend nötig, gab es doch am Freitag ordentlich was zu sehen: nach den furiosen Startern wie Psychopunch (eingewechselt für die leider gecancelten Sister Sin) schafften es passenderweise ausgerechnet Feuerschwanz endgültig, den strapazenbedingten Schlafmangel der Menge vergessen zu machen, und so fand man sich auch danach noch bestens gelaunt mit einem weiteren Becher Festivalbier unter strahlendem Sonnenschein vor der Pain Stage zu Letzte Instanz wieder. Deren Auftritt tat ein übriges, publikumsbemüht und lässig machten sie klar: Die Party geht weiter, und zwar mit Vollgas. Gesagt getan, und so wurden Pit und Bühne im Anschluss zusammen mit Neaera nach allen regeln der Kunst zu Kleinholz verarbeitet.
Vermeintliches Kontrastprogramm kurz darauf bei End of Green: Deren Stilbeschreibung „Depressed Subcore“ mag ja erst mal so gar nicht nach Stimmung klingen, dennoch kam davon ordentlich viel auf! Rockig, düster und authentisch spielte sich der Fünfer durch die fein abgestimmte Setlist und bildete so einen geschmeidigen Übergang zu Eisbrecher, welche sich danach die Ehre gaben. Charismatisch und cool wie immer heizte „Checker“ Alexander „Alexx“ Wesselsky die Meute durch die gesamte Bandgeschichte und beichtete gegen Ende sogar, dass er das Dinkelsbühler Sommerfest dem gigantomanischen Wacken Open Air entschieden vorzieht. Geschmeichelt bedankten sich die Breezler mit absolut textsicherer Songbegleitung und Topmotivation bis zum Schluss.
Großer Andrang wenige Minuten später vor der Pain Stage: Nach schmerzhaft langer Schaffenspause nun also der erste Auftritt der beginnenden Europa Tour von Walls Of Jericho. Und der knallte, von der ersten Sekunde an. Frontfrau Candace Kusculain fegte über die Bretter wie ein losgelassener Gewittersturm, topfit und so beeindruckend durchtrainiert, dass so manchem oberkörperfreiem Metaller mit deutlich dünneren Ärmchen und auch sehr deutlich dickerem Bäuchlein der anerkennende Neid ins Gesicht geschrieben stand. Natürlich dennoch supersympathisch lieferte das Detroiter Energiebündel mit ihren Mannen einen wohlschmeckenden Vorgeschmack auf die Rückkehr der Knallerband, und die Motivation machte sich im Nu auch im Pit bemerkbar. Mehr davon!
Für wie viel Thrash-Metal-Jünger der darauffolgende Gig das vierte Häkchen in der persönlichen „Big Four“- Liste bildete wird wohl ein Geheimnis bleiben, was jedoch feststeht ist, dass Anthrax auch nach so vielen Jahren kein bisschen Staub angesetzt haben. Verschwenderisch mit Schmetterstimme und Gitarrenshreds geölte Klassiker und Neuwerke, gespickt mit einer (weiteren) höchst amüsanten Coverversion von AC/DC´s TNT in perfekt klarem Sound ließen keine Wünsche unerfüllt.
Ein anschließender Abstecher zur Partystage belohnte mit Brechern wie Whitechapel, Madball und Evergreen Terrace, die Freitags- Closer von Finntroll machten mit ihrem folkloristisch- finnischem Trolljägermetall die passende Feierlaune zum mitnehmen auf den Campground, wo in den diesmal deutlich milderen frühen Morgenstunden noch so manches Bier geleert und mancher Festival- Insiderwitz geboren wurde.
Deutlich ausgeruhter reckte man sich also am Samstag den ersten Sonnenstrahlen des leider letzten Sommerbrisentages entgegen, doch Wehmut hatte kaum eine Chance aufzukommen, dermaßen niedergewalzt von der Vorfreude auf die heutigen Hochkaräter. Doch Eins nach dem Anderen: Die Aufwecker von Nachtblut und Arkona lieferten wie bestellt, und wer keine Angst vor Innovation hat, der ließ sich danach vom Können der fast völlig Instrumentfrei spielenden Truppe von Van Canto zeigen wozu menschliche Stimmbänder in der Lage sind. Gut gelaunt präsentierten sie Eigenwerke sowie bunt gemixte Kulthits und Hymnen der Metallwelt, komplett mit schreddernder Gitarre und wummerndem Bass, jedoch bis auf das unterstützende Schlagzeug ausschließlich gesungen vorgetragen. Wie das geht? Keine Ahnung. Wie das ankommt? Super! Schnell ertönten aus den erst ungläubig offen stehenden Mündern johlende Anfeuerungen, der Plan geht voll auf, und seine Lieblingslieder hört sowieso jeder gern. Derart früh schon derart verwöhnt reihte sich der Auftritt von Moonspell nahtlos in den Spielplan der Samstagsschmankerl ein.
Eng wurde es daraufhin vor der Pain Stage zur Stunde von Knorkator, hatte sich deren Unterhaltungswert doch schon länger in der Gemeinde herumgesprochen. Und enttäuscht wurde nicht, die blödelnden bissig- Berliner feierten an diesem wetterlich wunderschönen Spätnachmittag ihre ganz persönliche Party und brachten derart viel gute Laune mit dass es wohl kaum verwundern würde, stünden beim nächsten Breeze- Auftritt noch ein paar Hundert mehr Schwarzgekleidete zum Feiern bereit. Sogar die hart arbeitenden Festivalfotografen wurden vom Spaß nicht ausgeschlossen und zum dritten Song allesamt auf die Bühne gebeten um sich auszutoben. Spitze kann man nur sagen, und vielen Dank noch mal an dieser Stelle.
Weitere Feinkost wurde großzügig als Hammer- Gigs von Devildriver, Ensiferum und Pro-Pain gereicht und dankend angenommen, die Launekurve stieg steil weiter.
Eine perfekte Vorlage also für die im Anschluss über uns hereinbrechenden Hatebreed, welche wie immer eine pure Kraftdemonstration hinlegten. Knallhart und mitreißend knüppelten sie sich gekonnt durch Stücke vom Neuling und sämtliche Signature- Songs. Wow!
Auch danach war an Langeweile noch nicht einmal zu denken, hieß es doch für Amorphis auf der Schmerzensbühne sowie Enslaved und Tristania im Partyzelt am Ball zu bleiben.
Gleichzeitig war es auf der Hauptbühne endlich so weit, und der wohl am heißesten ersehnte Hochkaräter In Flames war an der Reihe sich von seiner besten Seite zu zeigen. Milde Untertreibung wäre es wohl hier zu sagen, sie hätten genau dies getan. Etwas wahrheitsgetreuer kann man von einem bombastischen Breeze- Spektakel sprechen, an das sich wohl jeder noch lange erinnern wird. Hier stimmte einfach alles, allem voran die Songauswahl. Mit speziellem, kostenmäßig wohl im sechsstelligen Bereich liegenden Scheinwerferset und kristallklarem Sound war der Auftritt ein Gesamtkunstwerk der jedem treuen Fan der Jesterheads das Herz höher schlagen ließ, gipfelnd in einem flammenden Feuerwerk. Da nahm man es in den ersten Reihen gern in Kauf, regelmäßig von zahllosen Crowdsurfern überrollt zu werden, und begann schon spätestens beim zweiten Song nur noch zu genießen. Ein würdiger Höhepunkt eines wunderschönen Summer Breeze 2013, welches wohl noch lange als Maßstab für gelungene Festivals gelten wird.
Text: Christa Bichlmeier
Bild: Manuel Miksche