Annihilator Tour 2015 oder: Alice is still in Hell

Annihilator Tour 2015 oder: Alice is still in Hell

Mittlerweile ist es einige Jahre her, dass das kanadische Thrash-Urgestein Annihilator die Hallen Münchens zum Beben gebracht haben. Höchste Zeit also, dass sie ihre Fans in der bayerischen Hauptstadt nicht mehr länger warten ließen. Am 30. Oktober war es endlich soweit: Annihilator, die mit ihrer neuen Scheibe „Suicide Society“ auf Tour waren, legten auch in der Halle im Backstage einen Zwischenstopp ein.

Doch bevor die Formation rund um Jeff Waters, den Kopf der Band, loslegen konnte, wurde das Publikum in der Halle im Backstage von Harlott, einer australischen Thrash-Metal Band aus Melbourne, begrüßt. Mithilfe von klassischen Thrash-Riffs stimmte sie die bisher noch eher spärlich gefüllte Halle auf den Abend ein. Die Thrasher hatten die Ehre, mit ihrem zweiten Silberling „Proliferation“ Annihilator auf ihrer Tour begleiten zu dürfen. Mithilfe von viel Hingabe versuchte das Quartett deshalb der Halle einzuheizen – jedoch mit mäßigen Erfolg. Das Publikum würdigte den durchaus gelungenen Auftritt der Australier mit mäßigem Applaus, ließ sich allerdings nicht zu ausuferndem Jubel, geschweige denn Headbangen hinreissen. Etwas mehr Abwechslung im Stil der Songs hätte vielleicht nicht geschadet – dennoch gebührt der Band Respekt für einen guten Einstieg in den Abend.

Abgelöst wurde Harlott von den Amerikanern Archer. Das Trio aus dem sonnigen Santa Cruz/Kalifornien brachten ihr Gemüt direkt mit auf die Bühne: Leidenschaft, Spaß und Action standen ganz oben auf der Tagesordnung! Die Band rund um Dylan Rosenberg, die stärker im melodischen Heavy Metal mit thrashigen Einflüssen verankert ist, wendete das Blatt ziemlich fix und zog das Publikum auf ihre Seite. Das angefeuerte Stimmungsbarometer der Metaller könnte, neben Professionalität und Talent, auf die hervorstechende Stimme des Sängers zurückzuführen sein – ist doch eine gewisse Parallele zu Dave Mustaine erkennbar. Da ist es kein Zufall, dass die Kalifornier der Langhaarfraktion eine Cover-Version von Megadeth um die Ohren schmetterten. Alle Achtung, diese Darbietung konnte sich mehr als sehen bzw. hören lassen und machte Lust auf mehr! Doch wie es eben ist: Alles hat ein Ende und so verließen die Männer mit den schönen Haaren unter großem Applaus die Bühne.

Trotz des bisher gelungenen Metal-Abend wartete die Menge nach den beiden Vorbands mehr als gespannt auf die Jeff Waters-Band alias Annihilator. Unter Getöse legten die Kanadier mit „King of the Kill“ los und überzeugten von der ersten Sekunde an! Kein Vergleich mit dem Auftritt auf Wacken 2015, bei dem die Band Opfer der Party Stage und der damit verbundenen mäßigen Technik wurden. In der Halle des Backstage rauschte die Band förmlich über die Bühne und bot als zweiten Song gleich einen der eingängigsten Tracks ihrer neuen Scheibe an: „Snap“. Dieser wurde direkt vom Titeltrack abgelöst, der ebenso begeistert vom Publikum angenommen wurde. Um das Vorgängerkunstwerk „Feast“ nicht in Vergessenheit geraten zu lassen gab Jeff Waters neben den aktuellen Songs auch „No Way Out“ zum Besten. Beachtlich zu beobachten war, dass das Annihilator-Publikum altersbezogen sehr breit aufgestellt war: von 17 bis über 50 war alles dabei! Schön zu sehen, dass eine Thrash-Metal-Band, die bereits ihr 15. Studioalbum auf den Markt gebracht hat, immer noch in der Lage ist, den Metal-Nachwuchs zu begeistern und auf Konzerte zu locken. Dies erreichten die passionierten Musiker natürlich nicht nur durch neuere, sondern auch durch ältere Songs, die klassischerweise an einem derartigen Abend nicht fehlen dürfen. Mit „Never, Neverland“ und „Refresh The Demon“ seien nur zwei dieser Songs genannt. Zwischendurch erfreute Jeff Waters das Publikum immer wieder mit kleinen Anekdoten aus seinem Privatleben, die er mit Teilen der Lieder verbindet – neben dem Musikbonus war ihm also der Sympathiebonus ebenfalls bombensicher. Dabei ist es nichts Neues, dass der Charmebolzen Waters bei den deutschen Frauen einen Stein im Brett hat oder ihnen den Kopf verdreht, hat er sich doch selbst eine deutsche Freundin angelacht. Er weiß eben die Qualitäten der deutschen Damen zu schätzen! Doch weiter im Text: Annihilator legten einen unglaublichen Auftritt hin, der rein gar nichts missen ließ. Eine gelungene Bühnenshow, eine stimmlich ausgereifte Darbietung vom sporadischen und mittlerweile tatsächlichen Sänger Jeff Waters, eine abwechslungsreiche Songauswahl, eine professionelle und mitreissende musikalische Leistung und eine Bühnenpräsenz, die sowohl Jung als auch Alt aus ihren Springerstiefeln hob, machten den thrashigen Abend zu einem der Highlights des Konzertjahres, der wie zu erwarten mit „Allison Hell“ und einer Zugabe gebührend gekürt wurde. Nach diesem genialen Abend bleibt zu hoffen, dass die Thrasher ihre Metal-Heads das nächste Mal schneller zurück nach München schwingen und uns wieder in metal-mäßige Extase versetzen.

Setlist:
1. King of the Kill
2. Snap
3. Suicide Society
4. Creepin‘ Again
5. No Way Out
6. Set the World on Fire
7. W.T.Y.D
8. Never, Neverland
9. Tricks and Traps
10. Bliss
11. Second to None
12. Refresh the Demon
13. Drum Solo
14. Brain Dance
15. Phantasmagoria
16. Chicken and Corn
17. Kraf Dinner/21
18. Alison Hell
19. Human Insecticide (Encore)

Text: Conny Pläsken