Testament, Annihilator und Death Angel – die Thrash Offensive auf Europa Tour 2017

Bereits bei der Vorankündigung konnte man kaum seinen Augen trauen: Sollten 3 der derzeit besten Thrash Bands wirklich zusammen auf Tour gehen und dabei auch noch in München vorbeischneien? Tatsache, da schienen es die Metalgötter wirklich sehr gut mit uns zu meinen! Umso besser traf es sich, dass alle 3 Bands ein mehr oder weniger neues Album im Gepäck hatten, das sie zugleich promoten konnten.

Death Angel

Ungewöhnlich früh ging es mit der ersten Band des Abends los, die ausnahmsweise keine Vorband im eigentlichen Sinne war, sondern eher der erste von drei Headlinern. Punkt 19 Uhr ging das Licht aus und die ersten Melodien von „Father of Lies“ erfüllten das sehr gut gefüllte Werk im Backstage. Obwohl es für Death Angel noch gar nicht lange her ist, dass sie am Free & Easy Festival einen Auftritt in München hatten, war die Band voll da und gab von der ersten Sekunde an alles. Die pure Leidenschaft von Mark Osegueda, Rob Cavestany & Co. war zum Greifen nah und animierte selbst den Fan im hinterletzten Eck zum headbangen. Es war als würde Magie in der Luft liegen, denn egal ob es weiter mit dem Titeltrack ihres vorletzten Albums „The Dream Calls for Blood“ oder mit dem wahrscheinlich besten Song „Claws in So Deep“ auf dem Album zuvor ging, niemand, aber auch wirklich niemand im Werk konnte diesem tiefen, inneren Bedürfnis standhalten, zur Musik abzugehen. Standesgemäß zeigte sich Sänger Mark – wie sollte es auch anders sein – wieder mit seinem besten Freund (dem Bombay Saphire Gin) auf der Bühne, wobei dieses Mal die Zeit nicht reichte, um eine halbe Flasche während des Auftritts zu vernichten. Nach mickrigen 5 Songs kam bereits die Ansage der Band, dass nun ihr letztes Stück des Abends folgen sollte, was für Empörung auf allen Seiten sorgte. Ein kleiner Trost war es dann zumindest, dass es sich um den ersten Song ihres aktuellen Albums „The Evil Divide“ handelte, nämlich um „The Moth“. Dank der unglaublichen Performance der Amerikaner und dieser besonderen aufgeladenen Stimmung endete dieses erste Konzert mit Gänsehaut pur und setzte somit die Messlatte ganz hoch an.

Annihilator

Eine halbe Stunde und ein kühles Erfrischungsgetränk später war es Zeit für ein kanadisches Sandwich wie Jeff Waters ihre Konzertkonstellation so treffend zu einem späteren Zeitpunkt beschrieb. Annihilator hatten erst vor Kurzem ihr neues Album „For The Demented“ released und starteten direkt mit einem ihrer neuen Songs, nämlich „One to Kill“. Mittlerweile war das Werk gefühlt an seine Kapazitätsgrenzen gefüllt, was bei diesem unglaublichen Programm allerdings zu erwarten war. Annihilator setzten dort an, wo Death Angel aufgehört hatten und animierten ihre Fans wie gewohnt mit einer großen Portion Humor, der dazugehörigen Prise Spaß und jeder Menge Blödsinn. Da war es ganz egal, ob es lustige Jeff Waters-Gesichtsausdrücke waren oder die herumtollenden Bandkollegen, ihre gute Laune war ansteckend und riss auch die Massen mit – allerdings nicht ganz vergleichbar mit Death Angel zuvor. Dieser kleine, magische Funke fehlte leider und konnte auch während des restlichen Auftritts nicht gezündet werden. Nichtsdestotrotz legten die Kanadier eine tolle Show mit verhältnismäßig vielen neuen Songs ab, die bereits im August bei einem kleinen, gemütlichen Zusammenkommen im Backstage Club angeteasert wurden und schon damals ordentlich Lust auf die neue Scheibe machten. Neben den neuen Songs wurden natürlich auch mehr oder weniger alte Klassiker wie „King oft he Kill“ und „No Way Out“ zum Besten gegeben, sodass die Fans durchgehend mit headbangen beschäftigt waren. Wie schon zuvor bei Death Angel war auch bei Annihilator viel zu früh Schluss. Standesgemäß wurde ihr Auftritt mit dem All-Time-Favourite „Alison Hell“ beschlossen, bei dem alle anwesenden Metalheads noch einmal aufgefordert wurden, den höchst komplizierten Refrain mitzusingen. Natürlich zeigte Jeff zuvor, wie das genau geht und erheiterte damit ein letztes Mal an diesem einzigartigen Abend seine Fans mit seinem wunderbaren Humor.

Testament

Die ersten beiden Bands des Abends waren bereits durch und alles bereitete sich auf den Haupt-Headliner des Abends vor: die Urgesteine von Testament rund um Chuck Billy. Auch sie veröffentlichten 2017 ein neues Album, das in der Metalcommunity auf großen Anklang stieß. Mit dem gleichnamigen Titeltrack „Brotherhood of the Snake“ stiegen die Thrash Metal-Götter auch direkt in das Hauptevent des Abends ein, das mit Gegröle und Geschrei unverzüglich gewürdigt wurde. Blickt man in der Zeit zurück, so ist es schier unglaublich, was für eine Karriere Testament bereits hinter sich gebracht und welch musikalischen Meilensteine sie über Jahrzehnte hinweg geschaffen haben. Und obwohl sie ihrem ganz eigenen, melodisch thrashigen Sound immer treu geblieben sind, so haben sie es doch geschafft moderne Züge in ihre Musik zu integrieren, sodass es nie langweilig wird. Ganz im Gegenteil schaffen sie mit jedem neuen Album aufs Neue einen Klassenschlager, den man als Fan einfach nur in sich aufsaugen möchte. Anschließend ging es mit „Rise Up“, „The Pale King“ und „More Than Meets the Eye“, also einer guten Mischung aus den vergangenen Jahren weiter. Da war das Moshpit und unzählig fliegende Köpfe nicht weit! Nach dem fünften Song bekam der Auftritt mit einem extrem ausgiebigen Gitarrensolo von Alex Skolnick eine Art Zwangspause, die etwas vom Testament-typischen Enthusiasmus raubte. Das Solo soll zwar sicherlich nicht denunziert werden, da Alex ein einfach fantastischer Gitarrist ist, der viele andere schwindelig spielen kann, aber dennoch sollte man es mit Unterbrechungen dieser Art nicht übertreiben, da so das Feeling leicht verloren gehen kann. Um etwas Abwechslung in das Kompositionsjahr der Songs zu bringen, wurde der ebenfalls gleichnamige Titeltrack der Scheibe „Low“ aus dem Jahr 1994 aus der Schublade gezogen, der eine einzigartig starke Dynamik in sich trägt und wieder für etwas mehr Stimmung sorgte. Der darauffolgende Track „Stronghold“ vom aktuellen Album konnte zwar noch einmal durch seine mitreißenden Elemente elektrisierende Testament-Momente auferwecken, doch spätestens nach „Throne of „Thorns“ nahm der Enthusiasmus spürbar ab. Ein Solo jagte das andere und sorgte langsam für Ermüdung statt Begeisterung. Ob es darum ging, dass Chuck eine kleine Pause brauchte oder eher darum, dass auch die übrigen Bandmitglieder ihre ganz eigenen Momente auf der Bühne erleben wollten, diese immense Anzahl an Soli kann sich im Grunde nur eine Band wie Metallica leisten ohne dabei an Attraktivität zu verlieren. Danach war die Stimmung eigentlich nicht mehr herzustellen. Überraschend war auch, dass Testament sich für „Over the Wall“ als letzten Song ihres Auftritts entschieden und damit auch ein etwas irritiertes Publikum zurückließen, die sich etliche andere Songs an genau dieser Stelle gewünscht hätten.

Insgesamt war das Konzept des Abends einfach nur grandios und sollte in dieser Form unbedingt und gerne auch öfters wiederholt werden. In Zukunft sollte lediglich darauf geachtet werden, dass die ersten beiden Bands, wenn es sich schon um solche Hammer wie Death Angel und Annihilator handelt, mehr Spielzeit bekommen und gleichzeitig mit Soli beim Hauptheadliner etwas mehr gegeizt wird, damit der Zauber ihrer Musik nicht von eher überflüssigen Unterbrechungen verfliegt.

Text: Conny Pläsken