Impericon Festival 2016 in München - Nachbericht

Bunte Haare wo auch immer der Blick umherschweift, viel dunkler Schminkkram um die Augen herum, ein Septum jagt das nächste und Tattoos in Hülle und Fülle, es ist ganz klar: hier muss es sich doch um Core handeln! Und damit liegt man völlig richtig – willkommen auf dem Impericon Festival. Die Festival Tour, die bereits das fünfte Mal organisiert wurde und mittlerweile in einigen europäischen Städten Halt macht, fand 2016 endlich auch in der bayrischen Metropole München statt, genauer gesagt im Zenith – die Kulturhalle. Zwar war das Festival nicht ausverkauft wie in anderen Städten, aber schlecht besucht sieht definitiv anders aus. Das Impericon Festival zeigte sich als Magnet für eingefleischte Metalcore Fans im Alter von 15+.
Ganz im Stil eines Festivals wurden vor dem Eingang eine Hand voll Stände und ein paar mehr Bierzeltgarnituren aufgebaut, welche bei dem sonnigen Wetter mehr als beliebt waren. Konnte man sich von der Sonne losreissen und begab sich in die dunkle, kühle Halle, so erwarteten einen zuerst ein Ibanez Stand – macht Sinn als Sponsor –, ein Stand für Autogramme mit den Bands und ein Friseur-Stand, an dem sich der ein oder andere spontan verschönern lassen konnte. Anders als gewohnt wurde für die Veranstaltung der hintere Teil der Halle abgehängt. Im vorderen Teil des Zeniths befanden sich zwei Bars für Getränke, ein Stand für Snacks und ein wirklich großer Merchandise. Groß war auch das Line-Up des Tages: Hellions, Hundreth, Any Given Day, Chelsea Grin, Blessthefall, Despised Icon, Bury Tomorrow, Northlane, Emmure, Callejon, Eskimo Callboy & Hatebreed. Etwas zeitverzögert trafen wir am frühen Nachmittag im Zenith ein – pünktlich zur dritten Band: Any Given Day.

Any Given Day
Trotz des unglaublich tollen Wetters waren erstaunlich viele Leute bereits in der Halle, um sich die Bands anzusehen. Die Metalcore Band Any Given Day hatte das Vergnügen als dritte Band des Tages die erwartungsvolle Meute in die richtige Stimmung zu bringen. Mit klassischem Geprügel und vorhersehbaren Riffs spielten die Gelsenkirchener ihre Setlist durch und begeisterten einen Großteil der Anwesenden. Aber wohl nicht genug wenn man sah, wie die Massen trotz kurzer Umbaupause nach dem Auftritt zügig die Halle verließen. Ob es die Sehnsucht nach der Sonne oder andere Beweggründe hatte, blieb dabei unklar.

Chelsea Grin
Pünktlich machten die Amerikaner von Chelsea Grin weiter. Typisch unverständliches Gegrowle und jede Menge Double Bass erschütterten das Zenith. Anfangs erschien ihr eigentlich ausgefeilterer Sound noch etwas wenig einfallsreich. Gegen Ende brachten die Jungs rund um Alex Koehler etwas mehr Abwechslung in ihren Songs und beschallten damit die teils bereits gut feiernde Core Meute. Wie erwartet, mangelte es um diese frühe Uhrzeit auch nicht an Crowdsurfern oder im Publikum herum kickende Personen. Aber zurück zur Band: am Ende zogen die Jungs noch eine anständige Deathcore Nummer heraus, mit der sie abzuräumen versuchten und positiv in Erinnerung blieben: Einstimmende melodische Klänge wurden von derben Geprügel und einer ordentlichen Portion Gebange und Geshoute abgelöst. Zwischendurch ein ordentliches Gitarren Solo hingelegt und der Deckel war zu. Ein bemerkenswert guter Act für diese frühe Uhrzeit.



Blessthefall
Einen deutlich stärkeren Start legten die Jungs von Blessthefall hin. Mit einer Mischung aus melodischem Gesang und Gegrowle ging es gut ab. Der Spaß, den die Metalcoreler aus Phoenix auf der Bühne hatten, war beim zweiten Song direkt greifbar: Ein Teil der Band wie auch ein paar Jungs auf der Bühne ließen sich zu einem kleinen Circlepit hinreißen und heizten so der Menge gut ein. Ein Break, den die Gitarristen noch mit etwas Gemoshe untermalten, sorgte für eine zusätzliche Portion Jubel unter den Fans! Insgesamt präsentierten sich Blessthefall deutlich melodischer, aber keineswegs softer als ihre Vorgänger. Die grölende Menge bestätigte das insgeheime Gefühl: die Jungs hätten auch ein paar Plätze weiter vorne im Line-Up spielen können.



Despised Icon
Weiter ging es mit den Kanadiern Despised Icon, deren Auftritt deutlich eintöniger war und von mehr einfachen Double Bass Parts und mehr Gepose geprägt wurde. Eine Besonderheit der Band ist, dass sie zwei Sänger haben – einen für die Screams und einen für die Growls. Nach ein paar kleineren technischen Schwierigkeiten hüpfte einer der beiden Sänger von der Bühne und surfte ein wenig auf den vorderen Reihen der Fans, die das hautnahe Erlebnis feierten und plötzlich Unmengen an filmenden Handys in der Luft zu sehen waren. Nachdem der Sänger seinen Weg wieder zurück auf die Bühne fand, legte die Deathcore Band nach einem eher schwächeren Start endlich richtig los und lieferte eine abwechslungsreichere Show. Das Publikum feierte dies gebührend und hüpfte und kreischte entsprechend mit.



Bury Tomorrow
Hörbar melodischer als Despised Icon ging es mit Bury Tomorrow nach einer kurzen Umbaupause weiter.  Die melodische Atmosphäre animierte bereits beim ersten Song einige Fans dazu, ihr Feuerzeug zu zücken. Um keinen zu soften Eindruck zu hinterlassen, legten die Jungs nach einer kurzen Ansage über ihre Freude dabei sein zu können gleich mit etwas härteren Klängen nach, die nicht zu verachten waren. Mit emotional aufgeladenen und komplexen Songs trafen die Engländer voll ins Schwarze. Der klassische Wechsel zwischen Cleargesang und Gegrowle charakterisiert die Metalcore Band und stieß sichtlich auf Anklang.



Northlane
Etwas mehr Action bekam das Publikum beim Auftritt von den Australiern von Northlane geboten. Die Power der Metalcore Jungs war von Anfang an greifbar. Auch optisch unterschieden sie sich von den vorherigen Bands, da sie sich vermummter präsentierten – sei es die Kapuze oder ein Mundschutz. Mit einer auffallend mystischeren Stimmung und einer gut abgestimmten Lichtshow hauten die Jungs voll auf die Kacke. An Bewegung auf der Bühne fehlte es ihnen sicherlich nicht. Ebenso wie in der jubelnden Menge: weit und breit war kaum ein Kopf zu sehen, der nicht begeistert mit nickte. Nach den ersten beiden Songs spielten Northlane einen etwas atmosphärischeren Song und zeigten sich so von einer etwas anderen Seite. Genau aus diesem Grund ergänzten die Jungs aus Sydney das Line-Up perfekt, weil sie Varianz in den zuvor mehr oder weniger gezeigten Einheitsbrei brachten.



Emmure
Bevor Emmure die Bühne betraten, füllte sich das Zenith merklich. Ob es am kalten Wind draußen lag oder an den Fans, konnte man nicht deutlich einordnen, wobei es schon auffiel, dass innerhalb der Core Meute ordentlich was los war. Die Amerikaner zeigten sich instrumentalisch etwas einfacher gestrickt, da sie nur mit einem statt zwei Gitarristen unterwegs sind. Einfach trifft auch auf ihren Auftritt im Sinne des Einfallsreichtums zu. Musikalisch hoben sie sich wenig von den vorherigen Bands ab. Die instrumentalen Elemente waren vorhersehbar und der Gesang zeigte ebenso keine Besonderheiten: growlen und shouten, die Klassiker eben. Was genau diesen Auftritt von den anderen unterscheidet, war schwer nachvollziehbar, aber dennoch gingen die Leute brav mit ab und jubelten was das Zeug hielt. Nicht der schlechteste Auftritt, aber auch nicht der beste des Abends.



Callejon vs. Eskimo Callboy
Im Anschluss an Emmure war die Vorfreude in der Halle auf den nachfolgenden Auftritt spürbar groß. Battles zwischen zwei Bands sind in dieser Form wirklich selten, weshalb die Spannung nachfühlbar war. Nach einer halben Stunde Umbaupause ging endlich das Licht aus und die Musik an: Gebührend startete das Battle mit dem guten alten Scooter und „Always Hardcore“. Ein riesen Bugs Bunny-Plüschkopf, ein Dreirad, Wasserpistolen und Totenkopfmasken durften da natürlich nicht fehlen. Zum Auftakt des Battles, den Eskimo Callboy bestritt, wurde erstmal eine ordentliche Konfetti-Bombe losgelassen. Schnell wurde klar, dass jetzt die Hauptacts des Abends loslegten. Rauchsäulen, eine aufwendigere Lichtshow, da wurde auf der Bühne mit nichts mehr gespart. Für eine besondere Dekoration sorgten die Deutschen natürlich auch, indem sie Toilettenpapier ins Publikum warfen und sich selbst zum Teil auch damit einwickelten. Während Eskimo Callboy ordentlich einheizten, standen Callejon schön gemütlich im Hintergrund auf der Bühne an einer Bar und hoben dort ordentlich einen. Natürlich mussten sie sich nicht selbst um ihre Getränke kümmern, sondern wurden von Barkeepern versorgt und konnten so entspannt ihren Metalcore Kollegen aus dem Ruhrpott lauschen. Gleichzeitig tat sich am Rande des Geschehens einiges mehr. Ein paar eingefleischte Fans nutzten, wie vermutet, den Randbereich als ihre Bühne und hüpften, schlugen und kickten wie wild in der Gegend herum. Eskimo Callboy wissen eben, wie sie ihre Fans begeistern können. Ein Ohrwurm folgte auf den nächsten und wurde anständig von einer geilen Lichtshow und bunten Rauchsäulen unterstützt. Mit ihrem trancig angehauchten Sound rissen sie definitiv die ganze Halle mit. Kaum merklich fand der Wechsel der beiden Bands statt. Eine Spur weniger melodisch hauten die deutschen Jungs von Callejon auf die Pauke und brachten die Menge ebenfalls zum ausflippen. Wohlverdient machten es sich die Jungs von Eskimo Callboy in der Zwischenzeit an der Bar gemütlich und schlürften das ein oder andere Getränk, während Callejon vorne richtig Gas gaben. Begeisterungsstürme und jede Menge Crowdsurfer waren bei so einem Auftritt vorprogrammiert. Das Battle war an diesem Abend definitiv ein Highlight, das einem Großteil der Anwesenden lange in Erinnerung bleiben wird – optisch wie auch musikalisch. Dennoch war der Abend noch nicht vorbei, denn DER Headliner fehlte noch.



Hatebreed
Im Anschluss an das Battle wurde die Halle sichtlich leerer – ein Teil des Publikums hatte sich bereits verabschiedet. Callejon vs. Eskimo Callboy war anscheinend für einen Großteil der Fans das musikalische Highlight. Wirklich bedauerlich für eine Band wie Hatebreed, die als Headliner auf einem Festival spielen und das Publikum sich nicht mehr die Zeit nahm, das letzte Konzert anzusehen.  Ungeachtet dessen stiegen die Hardcoreler von Hatebreed gewohnt stark direkt mit dem Klassiker „Destroy everything“ ein, der von ein paar technischen Schwierigkeiten begleitet war. Im Vergleich zu vorher hatte Hatebreed das Bühnenbild relativ simpel gehalten, was der Show sicherlich keinen Abbruch tat, denn manchmal ist weniger mehr. Nach dem ersten Hit hauten sie direkt den nächsten raus: „Live for this“. Die Power, die von den ersten beiden Songs ausging, ist wirklich schwer zu beschreiben. Trotz des geschrumpften Publikums lag ein mächtiges Gefühl in der Luft, das einem ein begeistertes Lächeln ins Gesicht zauberte – das können nur wahre Headliner. Das noch verbliebene Publikum ging dafür gut mit ab und grölte lauthals mit. Der Auftritt der Amerikaner als krönender Abschluss des Festivals war mehr als nur besonders. Selten war ein musikalischer Stilwechsel so deutlich spürbar wie hier. Hatebreed rissen mit ihrem Sound förmlich Häuser ab und animierten ihre Fans noch einmal, wirklich alles zu geben – da musste der Sänger das Publikum nicht lange um eine Wall of Death bitten. Das Festival kann sich glücklich schätzen, dass die Jungs rund um Jamey Jasta den Abend beschlossen, da so die musikalische Qualität deutlich nach oben stieg. Es hätte dem Impericon Festival gut getan, wenn die ein oder andere Band mehr aus der Hardcore Ecke den Tag begleitet hätte, damit der Sound abwechslungsreicher gewesen wäre. Deshalb gebührt Hatebreed großer Dank, dass sie diesen Tag mit ihrer speziellen, authentischen Art finalisierten.



Fazit des Festivals
Zur Freude für Bayern fand 2016 das Impericon Festivals erstmals auch in München statt. Die bayerische Hauptstadt kann damit ein weiteres Ein-Tages-Festival in ihr Repertoire aufnehmen. Insgesamt betrachtet war das Festival ein voller Erfolg, auch wenn die Karten – wie in anderen Städten der Fall – nicht ausverkauft waren. Vor einer leeren Halle musste keine der Bands spielen. Musikalisch betrachtet war das Festival allerdings nur mittelmäßig. Zwar tummelten sich durchaus namhafte Bands im Line-Up, allerdings war die Darbietung verschiedener Sub-Genres wenig abwechslungsreich. Im Laufe des Tages hörte sich jede Band gefühlt wie ihr Vorgänger an. Aus der Reihe tanzten hauptsächlich das Battle von Callejon vs. Eskimo Callboy und Hatebreed. Den anwesenden Fans war dieser Umstand augenscheinlich egal, da so gut wie jede Band des Tages/Abends bejubelt wurde. Dennoch macht eine gut ausgewählte Varianz an Bands ein qualitativ hohes Festival aus, weshalb es im kommenden Jahr spannend wird, welche Bands eingeladen werden. Neben der Musik muss das Rahmenprogramm etwas kritisch ins Auge gefasst werden. Im Vorhinein wurde viel über das Essen geschrieben. Vegetarische und vegane Essensstände wurden versprochen – ein Stand, an dem das der Fall war, war tatsächlich gegeben. Bei einem Festival geht man normalerweise davon aus, dass die Essensauswahl relativ groß ist. Burger, Döner und einen Grillstand würde ich dezent eher nicht als große Auswahl bezeichnen. Ein Problem zeichnete sich dabei recht schnell ab: Bei zwei Essensständen und über 3.000 Leuten waren die Wartezeiten in der Essensschlange immens. Ein paar Stände mehr mit einer besseren Auswahl hätten dem Festival definitiv nicht geschadet. Auch dass bereits ab ca. 17 Uhr keine Cheeseburger (vegetarisch oder mit Fleisch) mehr erhältlich waren spricht für sich. Ein ähnliches Phänomen war bei den Getränken zu finden: Bereits um ca. 18 Uhr konnten keine Monster Energy Drinks mehr käuflich erworben werden und das, obwohl Monster Energy einer der Hauptsponsoren des Festivals waren. Neben den größeren und kleineren Schwierigkeiten bei der Versorgung kann dafür der äußerst große Merch-Stand hervorgehoben werden. Hier bildeten sich keine unmenschlich langen Schlangen, weshalb jeder schnell zu seinem Lieblingsshirt gelangen konnte. Insgesamt war das Impericon Festival 2016 in München dennoch ein Erfolg und es kann für 2017 gehofft werden, dass es wiederholt in der bayerischen Metropole stattfinden wird.

www.impericon.com 

Text: Conny Pläsken
Bilder: Manuel Miksche