Das Rockavaria 2016 im Olympiapark in München - Nachbericht

Bereits zum zweiten Mal fand im Münchner Olympiapark das Urban-Festival Rockavaria statt. Wie im Vorjahr wurde der Münchner Norden am letzten Mai Wochenende mit metallischen Klängen beschallt. Die Veranstalter haben anscheinend etwas dazu gelernt und in diesem Jahr die Olympiahalle nicht mehr als Konzertlocation gewählt. Stattdessen wurde im Olympiastadion eine große Doppelbühne aufgebaut, um nahtlose Konzerterlebnisse zu garantieren. Die Seebühne bildete wie im Vorjahr die dritte Bühne des Festivals. Auch bei der Versorgung ließ sich das Festival nicht lumpen: Getränke- und Essenstände waren in Hülle und Fülle vorhanden und boten – wenn auch zu teils ungeheuren Preisen – eine angemessene Auswahl an.

Tag 1 – Freitag


Der erste Festivaltag begann am Nachmittag und trotzte dem wechselhaften Wetter. Gerade pünktlich zum Sonnenschein öffneten sich die Pforten zur zweiten Runde des Rockavaria-Festivals. Das Line-Up des ersten Tages bot eine bunte Mischung an Bands an:  Kanzler & Söhne, J.B.O., Powerwolf, Dust Bolt, Suicidal Tendencies, To the Rats & Wolves, Apocalyptica, tuXedoo, In Extremo, Dog Eat Dog und Nightwish.

J.B.O.
Mit jeder Menge Blödsinn startete das Urban-Festival Rockavaria im Olympiapark München um 16 Uhr in das Wochenende. In sattes Pink getaucht brachten die Franken eine geballte Ladung Jux und Tollerei auf die Doppelbühne im Olympiastadion. Der blendenden Sonne trotzdend rockten die Mannen Vait, Hannes, Wolfram, Ralph, Holmer und Thomas unter anderem "Bolle", "Vier Finger für ein Halleluja", "Ein guter Tag zum Sterben" oder "Dr. Met" und zeigten damit eindrucksvoll, dass die Zeit von J.B.O. noch lange nicht vorbei ist! Ein mehr als würdiger Einstieg bei angenehmen 25 Grad in der Landeshauptstadt.



Powerwolf
Weiter ging es mit den derzeit mehr als sehr erfolgreichen deutschen Power-Metallern von Powerwolf. In gewohnt düster-sakraler Aufmachung erschienen die Männer rund um Attila Dorn auf der ersten Doppelbühne im Stadion. Mit einer Mischung aus älteren und neueren Songs fegten sie über die Bühne und brachten das Publikum in die richtige Festival Stimmung. Die konstant gute Live-Performance, die die Band seit Jahren an den Tag legt, beeindruckt immer wieder und ist ideal für den späten Nachmittag.



Suicidal Tendencies
Mit deutlich härteren Klängen und einem nahtlosen Wechsel der Bühnen ging es um 17.45 Uhr mit den südkalifornischen Jungs von Suicidal Tendencies weiter. Zum Bedauern der Band verließ eine ordentliche Meute an Menschen zu Beginn der Hardcoreler das Stadion. Die Anzahl an Menschen im Publikum während des Konzerts stand jedoch nicht im Verhältnis zur Qualität, denn was die Band von der Bühne schmetterte war astreiner Hardcore mit seinen klassischen thraschigen Einflüssen, was den besonderen Reiz der Jungs ausmacht. Ein schöner Kontrast zu den vorherigen Powerwolf und zum gesamten Tagesprogramm. Definitiv ein Highlight des Tages!



Apocalyptica
Nach Suicidal Tendencies reihte sich um 18.45 Uhr mit deutlich melodischerem Sound Apocalyptica in das Tages-Line-Up ein. Mit ihrem typischen Metal meets Classic Sound legte die Band einen sehr beeindruckenden Auftritt hin, der vom Publikum mit großer Begeisterung empfangen wurde. Gesangliche Unterstützung erhielten die Finnen von Frankie Perez, der dem ein oder anderen Song mit seiner Stimme besondere Ausdruckskraft verlieh. Besondere Highlights waren die Cover-Versionen von „Master of Puppets“ oder „Seek and Destroy“ von Metallica. Aber auch eigene Songs wie „I Don’t Care“ berührten mit ihren aufgeladenen Emotionen. Apocalyptica wissen eben immer noch, wie sie ihr Publikum begeistern können.



tuXedoo
Parallel zu den melodischen Finnen heizten auf der Seebühne die österreichischen Buam aus Mattighofen einer etwas kleineren Menge ein. Bereits im letzten Jahr gewannen die sympathischen Alpencoreler den Newcomer-Contest des Rockavaria-Festivals und sicherten sich so ihren Auftritt in diesem Jahr. Zurecht – wie tuXedoo auch dieses Jahr wieder bewies. Ihr eigenwilliger und zugleich einzigartiger Sound sorgte für richtig gute Laune vor der Seebühne. Neben ihrem ausgefallenen Musikstil, den sie selbst als Alpencore bezeichnen, fallen die Jungs rund um Hons und Mök durch ihr uriges Aussehen auf. Lederhosen, Strickwesten und andere Trachten-Accessoires gehören zur Standardaufmachung der Österreicher. Ein Geheimtipp für jeden, der über den Standard-Tellerrand des Metalcores hinausschauen möchte!




In Extremo
Auf der zweiten Hauptbühne ging es zeitgleich mit den deutschen Mittelalter-Metallern von In Extremo weiter. Passend zum aktuellen Album wurde das Bühnenbild mit einem riesengroßen „Quid pro quo“ Banner versehen. Das letzte Einhorn und seine Männer verstanden es eine Mischung aus alten und neuen Songs zu präsentieren, die beim Publikum sichtlich gut ankam. „Erdbeermund“ und „Küss mich“ waren dabei nur zwei von vielen Ohrwürmern der Band. Insgesamt war gegen den Auftritt der Deutschen nichts einzuwenden, jedoch verlieren sie über die Jahre etwas an ihrem Zauber. Eindeutig nur für eingefleischte oder junge Fans empfehlenswert!



Nightwish
Den Abschluss des ersten Festivaltages machten die finnischen Symphonic-Metaller von Nightwish auf der ersten Hauptbühne. Mit einem epischen Intro wurde die fulminante Show angekündigt, die in einheizenden Feuerfontänen, diversen Rauchsäulen und Funkenregen das Herz eines jeden Pyrotechnikers aufgehen ließ.
Unvollständige Verbrennung war hier das Zauberwort des Abends. Bereits während In Extremo hatten sich einige Besucher über heiße Teilchen beschwert, die wohl Löcher in die T-Shirts gebrannt hatten. Auf Facebook konnte man auch von brennenden/angekokelten Haaren lesen. Dazu regnete es im vorderen Bühnenbereich den restlichen Zündstoff der Feuershow herunter. Überraschend war hier, dass die Fotografen aufgrund des Einsatzes von Pyrotechnik bis zum fünften Song draußen warten mussten und dennoch flammte so einiges über die Köpfe und Kameras hinweg! Daran hat sich aber kaum einer weiter gestört, ganz im Gegenteil: umso mehr Feuer, desto mehr Stimmung. Bis zum Ende gegen 23 Uhr feuerten Nightwish, wie man es von ihnen kennt, aus allen Rohren, zeigten jede Menge Spaß und Freude auf der Bühne und übertrugen dies auf die etwa 30.000 Fans im Olympiastadion in München.

Ein perfekter Abschluss für einen sonnigen und recht angenehmen Tag mit vielen hochkarätigen Shows und einer bunten Line-Up Vielfalt.


Tag 2 – Samstag

Der zweite Festivaltag startete bereits am späten Mittag unter strahlendem Himmel und Sonnenschein. Beim Betreten des Olympiastadions wusste man anfangs nicht, ob das Festival tatsächlich schon geöffnet hatte, da das Publikum gefühlt noch an einer Hand abzählbar war. Ein paar hartgesottene, mit Sonnenbrillen ausgestattete Besucher tummelten sich dennoch vor den Hauptbühnen. Wie schon am Tag zuvor bot das Line-Up am Samstag ein abwechslungsreiches Programm: Mother's Cake, Beyond The Black, Resist The Ocean, Prime Circle, The Charm The Fury, Sodom, Raglangs, Garbage, Gotthard, Agent Fresco, Mando Diao, Serum 114, Gutterdämmerung, Solstafir, Betontod und Iggy Pop.

Mother's Cake
Den Anfang machten am mittags noch sonnigen Samstag die österreichischen Prog-Rocker von Mother's Cake. Immer wieder eine recht undankbare Rolle den Opener an einem Festivaltag zu geben, aber einen trifft es leider immer. Vor einer handvoll Menschen startete die Band pünktlich um 14 Uhr. Der Anfang ist immer ein gewisser Drahtseilakt – hat das Publikum gute Laune, geht die Band gut ab, etc. Trotz widriger Umstände haben sich Mother's Cake wacker geschlagen und mit ihrem ganz eigenen Sound definitiv überzeugt. Kraftvolle progessive Klänge mit einem Hauch Psychedelic donnerten über das Olympiastadion hinweg und bildeten ein ideales Warm-Up für den Tag.



Beyond The Black
Weiter ging es mit den vielversprechenden Newcomern von Beyond The Black. Während der letzten Songs von Mother's Cake füllten sich die ersten Reihen des Stadions merklich. Eindeutig tummelten sich hier mehr als nur ein paar eingefleischte Beyond The Black Fans, die voller Spannung und Vorfreude auf ihre Helden warteten. Um 14.40 Uhr war es dann endlich soweit: Die Band betrat die Bühne und spätestens als die hübsche Frontfrau Jenny auf der Bühne erschien, war der Jubel in der Menge groß. Heute in einer etwas anderen Besetzung als sonst (Michael und Erwin waren nicht dabei) heizte die Band dem Publikum richtig ein! Eine bedacht ausgewählte Setliste, die aus einer Mischung von alten und neuen Songs bestand, begeisterte ihre hüpfenden und kreischenden Fans. Songs wie „In The Shadows“, „Written In Blood“, „Songs Of Love And Death“ oder „Lost In Forever“ verfehlten eben nicht ihre Wirkung. Ganz in gewohnter Manie kreiierte das Powerbündel von Frontfrau mit ihrer Hammer-Stimme den ein oder anderen Gänsehautmoment. Auch der Lead Gitarrist Nils faszinierte mit seinen flinken Fingern und riss ein geiles Solo nach dem anderen herunter. Ein unglaublich toller Gig – leider ein paar Stunden zu früh für meinen Geschmack. Man kann nur hoffen, dass Beyond The Black das nächste Mal einen späteren Platz im Line-Up ergattern können.



Prime Circle
Nach den deutschen Aufsteigern folgten Prime Circle, eine 2000 gegründete südafrikanische Band. Mit ihrem glatten, rockigen Sound beschallten sie eine deutlich geschrumpfte Menge. Ob es an der Musik oder an den Wolken lag, die sich langsam näherten – man wird es nie erfahren. Anfangs noch vielversprechend, mit der Zeit etwas ermüdend klimperten sie Song für Song auf der ersten Hauptbühne. Für etwas Abwechslung sorgte der Sänger mithilfe einer Akustik-Gitarre bei dem ein oder anderen Lied. Insgesamt ein netter Auftritt für zwischendurch, der allerdings  zwischen einer Symphonic Metal Band und den Thrashern von Sodom, die im Anschluss spielten, einen schwierigen Stand hatten.



Sodom
Pünktlich zu Beginn des deutschen Urgesteins lösten sich die ersten Regentropfen aus den Wolken und kühlte das Publikum zumindest dezent ab. Dieses wuchs stetig immer weiter – kein Wunder, der Nachmittag schritt schön langsam voran. Ob hart- oder weichgesotten, die Menge vor den Bühnen ließ sich nicht von einem harmlosen Regenschauer und ein paar Wölkchen abschrecken. Dementsprechend war die Stimmung bei den Alt-Thrashern von Sodom euphorisch. Sodom holzten in ihrer allseits bekannten, etwas schwerfälligen Art einige Bäume ab! Mit Stücken wie „Agent Orange“, „Napalm In The Morning“ oder „Remember The Fallen“ brachten sie bei einigen Anwesenden das Haupthaar in ordentliche Wallung. Nach Jahrzehnten wissen sie eben, wie sie ihr Publikum immer wieder aufs Neue begeistern können. Zwar nicht ihr bester Auftritt, aber definitiv im ersten Drittel anzusiedeln. Mehr davon wäre an diesem Samstag wirklich wünschenswert gewesen.

Garbage
Unterschiedlicher hätten die Veranstalter des Rockavaria die Bands kaum timen können: Nach den härteren Klängen von Sodom folgten die Alternative Rocker Garbage. Voll Spannung wartete man in der Menge darauf, was sich wohl hinter der pinken Flagge mit den Leoparden darauf verbirgt. Um 16.55 Uhr wurde das Rätsel bei aufziehendem Himmel gelüftet. Shirley Manson, die Sängerin der Band, und ihre Kollegen betraten die Bühne – die Frontfrau dabei in ein Leopardenkleid und Netzstrumpfhose gehüllt, das Haar kürzer und blond mit einem rosafarbenen Stich versehen. Musikalisch zeigten sich die Amerikaner etwas sehr eigenwillig. Mit einer Röhre vor dem Herrn fetzte Shirley einen Song nach dem anderen herunter, wobei das Treffen der Töne nicht zu jedem Zeitpunkt zu ihren Stärken zählte. Wer auf krasse stilistische Wechsel steht, für den war die Band genau das Richtige. Andernfalls fragte man sich eher, warum die Band zu dieser Stunde spielen durfte und nicht am Anfang des Tages. Ein eher schwächeres Konzert zwischen wahren Größen der härteren Musik.

Gotthard
Mit rockigen Klängen ging es auf der Doppelbühne direkt weiter: Die „vielleicht beste Hard-Rock Band Europas“, wie sie von der Rock Antenne angekündigt wurde, betrat die Bühne und wurde mit einer saftigen Portion Jubel empfangen – so wie es sich eben für die Besten gehört. Gotthard präsentierte wahrlichen Balsam für die Ohren im Vergleich zu ihren Leoparden-affinen Kollegen zuvor. Nic Maeder versteht es, den typischen Gotthard Stil gesanglich umzusetzen. Am Rockavaria konnte er einmal mehr unter Beweis stellen, dass er nicht umsonst nach dem Tod von Steve Lee 2010 in dessen Fußstapfen treten durfte. Mit coolen Moves und einer gewaltige Show fegten die Männer förmlich durch das Olympiastadion und sorgten für eine gute Stimmung bei Jung wie Alt. Für den Vorabend eine sehr solide Darbietung inmitten der bayerischen Metropole.



Agent Fresco
Ein kurzer Abstecher ins Grüne verschlug mich zwischendurch zur Seebühne, auf der gerade Agent Fresco zugange waren. Ohne besondere Erwartungen war ich gespannt, was mir dort um die Ohren fliegen würde. Die Isländer waren bereits voll im Gange und begeisterten ihr hauptsächlich auf der Wiese sitzendes Publikum. Mit einem sehr eigenwilligen, aber ansprechenden Sound beglückten die Männer rund um den Sänger Arnór Dan Arnarson das Theatron. Stilistisch ist die Band wirklich schwer zu fassen, waren doch verschiedenste Einflüsse zu vernehmen. Die Prog-Rocker geben sich nicht mit einfacher Musik zufrieden, sondern nutzen Aspekte anderer Genres zu ihrem Vorteil. So vereinten sie Pop-Einflüsse, etwas Math-Rock und jede Menge Post-Rock in einer einzigen Darbietung. Hervorzuheben ist dabei die tolle Stimme des Sängers – seien es sanfte, hohe oder härtere Töne, er säuselt oder schmettert sie passend raus. Genau die richtige Musik für ein gemütliches Ambiente wie die Seebühne, wobei die Musiker es bei dieser musikalischen Qualität und diesem Einfallsreichtum verdient hätten auf den Hauptbühnen zu spielen. Ein wirklich toller, abwechslungsreicher Act!

Mando Diao
Zurück  bei den Hauptbühnen ging es mit etwas Verzögerung mit der schwedischen Größe von Mando Diao weiter. Mit roten Fackeln begrüßten sie das noch übrig gebliebene Publikum (das Ende des Gotthard-Konzerts löste irgendwie eine halbe Völkerwanderung im Publikum aus). Auch sie hatten, wie zuvor am Tag die ein oder andere Band, einen etwas schwierigen Stand zwischen Gotthard und Gutterdämmerung. Davon ließen sich die Musiker jedoch nicht beirren und zogen ihr Ding durch. Mit den klassischen Alternativ Rock Klängen beschallten sie das Olympiastadion und begeisterten ihre einschlägigen Fans. Für den Rest der Anwesenden war dieser Auftritt mehr ein nettes Zwischenprogramm, auf das man aber ebenso gut verzichten hätte können.



Sólstafir
Nach den Schweden blieb das Programm weiter skandinavisch: Auf der Seebühne bereitete sich alles auf das Konzert der Isländer von Sólstafir vor. Bereits einige Tage zuvor begeisterten sie ihr Publikum mit einer besonderen Show in Wörgl (Nachbericht folgt). Pünktlich um 20.15 Uhr betraten sie die Seebühne und eröffneten das Konzert mit dem Anfang ihres aktuellen Albums. Gewohnt stark verzauberten sie das deutlich gewachsene Publikum am See mit ihrem typischen Charme. Bei der Performance der Isländer spürt man jedes Mal wieder, mit welcher Leidenschaft sie ihre Musik präsentieren. Ein besonderes Highlight war der Einsatz des Banjos, das Teil des Liedes „Otta“ ist. Was zunächst eigenartig klingen mag, passt in Wirklichkeit unheimlich gut zusammen und versetzte den Zuhörer in verträumte Sphären. Von ihrer Interpretation von Post-Rock kann man immer wieder nur schwärmen. Einziges Manko bei der Show war die Tageszeit, da das typische Sólstafir Feeling am besten in düsterer Stimmung transportiert werden kann. Nichtsdestotrotz legten die Isländer eine unglaublich stimmige und eingängige Show hin!



Iggy Pop
Das Ende dieses Samstages wurde mit dem Erscheinen der Rock-Größe Iggy Pop eingeleitet. Voller als zu diesem Auftritt sah man das Olympiastadion an diesem Tage nicht. Wie zu erwarten legte der Alt-Musiker von Beginn an ordentlich los und hüpfte etwas unkoordiniert mit nackten Oberkörper und leicht irrem Gesichtsausdruck von der einen zur anderen Seite der Bühne. Respekt, dass er in seinem Alter immer noch alles gibt, um sein Publikum zu begeistern. Trotz der großen Anzahl an Menschen vor der Bühne entstand der Eindruck, dass nur ein kleiner Teil voller Begeisterung dabei war. Auf den Rängen sah es da ganz anders aus: Die Leute standen und schrien und jubelten mit was das Zeug hielt. Bei der Einschätzung der Darbietung scheiden sich allerdings die Geister: Was für die einen ein denkwürdiger Auftritt der Rock-Größe war, war für die anderen ein eher mittelmäßiges Konzert, für das sicherlich kein Wiederholungsbedarf besteht. Bei den unterschiedlichen Vorlieben des anwesenden Publikums nachvollziehbar, jedoch sollte es ein Headliner schaffen, auch Nicht-Fans auf eine gewisse Art und Weise zu begeistern. Bleibt zu hoffen, dass Iron Maiden diesen Part am kommenden Sonntag übernehmen wird und die Menge ordentlich zum Beben bringt.


Tag 3 – Sonntag

Der dritte und letzte Festivaltag in der Landeshauptstadt begann, wie bereits der Samstag, um Punkt 14 Uhr. Anscheinend waren die Festivalbesucher an diesem Sonntag deutlich ausgeschlafener, da das Stadion um einiges besser gefüllt war als am Tag zuvor. Nur das Wetter bereitete bereits im Vorhinein etwas Bauchweh, da es mittags schon bewölkt war und einschlägige Wetter-Apps auch keine Besserung, sondern nur Schlimmeres prophezeiten. Doch für den Beginn des Tages sollte das noch irrelevant sein. Das Line-Up am Sonntag gestaltete sich folgendermaßen: Wild Lies, Black Vulpine, The Raven Age, Iron Walrus, Gojira, Tremonti, Eversun, Anthrax, Mantar, Ghost, Slayer, The Shrine, Sabaton, John Garcia, Kadaver und Iron Maiden.

Gojira
Der sonntägliche Startschuss fiel für uns bei den Death-Metallern von Gojira. Mit harten Riffs und einer guten Portion Motivation legten die Franzosen Vollgas los. Zufall oder nicht, der Sonntag am Rockavaria stand wie im Vorjahr unter dem Zeichen härterer Klänge. Das mochte den einen oder anderen Metalfan mehr dazu verleiten, sich am Sonntag in den Olympiapark zu bewegen. Spürbar war jedenfalls, dass das Publikum deutlich motivierter und lockerer war. Kein Wunder, denn Gojira brachten das Olympiastadion ordentlich zum Beben und fetzten einen geilen Song nach dem anderen raus. Mit diesem Auftritt setzten sie die Messlatte für den letzten Festivaltag definitiv hoch an – danke Jungs für diesen Gig!



Tremonti
Mit vollem Kontrastprogramm ging es auf der zweiten Doppelbühne direkt mit den Hard Rockern von Tremonti weiter. Die Band, die nach ihrem Sänger Mark Tremonti (bekannt von der Band Creed) benannt wurde, hatte nicht unbedingt den einfachsten Platz im Line-Up zwischen Gojira und Anthrax, ließen sich aber keineswegs davon aus der Ruhe bringen. Die Amis starteten gleich mit etwas härteren Tönen, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen – und das mit Erfolg! Klassische, aber deswegen noch lange nicht langweilige Riffs unterhielten das Rockavaria Publikum am Nachmittag. Es schien, als würden Tremonti vor allem beim jüngeren Publikum punkten können, das sich in auffällig größerer Zahl im vorderen Bereich tummelte. Zwar nicht der beste Auftritt, aber durchaus sehens- und hörenswert.



Anthrax
Nach Tremonti wurde die Anspannung im Publikum merklich größer, da alles auf die Thrash-Legende Anthrax wartete. Mit jeder Menge Krach eröffneten sie ihren Auftritt – so wie sich das gehört als gute Band – mit einem ihrer besten Songs: „Caught In A Mosh“. Da flogen Haare, da flogen Hände, nichts war mehr sicher vor den Männern rund um Joey Belladonna. Die Amis wissen eben auch nach Jahren auf der Bühne, wie sie es so richtig krachen lassen und das Publikum auf ihre Seite ziehen können. Eine gewohnt starke Performance der Band, die die Ehre hat, sich zu den sogenannten „Big Four“ zählen zu können. Einzig verwunderlich war, dass das Publikum bei Anthrax tatsächlich mehr abging als am Tag zuvor bei den Headlinern von Iggy Pop. Das sollte dem Festival doch etwas zu denken geben. Doch lassen wir diese Kleinigkeit mal beiseite: Anthrax legten von Anfang bis Ende eine unglaublich geile Show hin, die zeigt, warum der Thrash Metal zu den Großen gehört!



Ghost
Noch während Anthrax wurde die erste Unwetterwarnung ausgesprochen und die Seebühne vorübergehend geschlossen. Ein Teil des Publikums flüchtete sich daraufhin zu den überdachten Tribühnenplätzen, die dank des Wetters für alle geöffnet wurden. Ein großer Teil ließ sich allerdings nicht so schnell aus der Ruhe bringen und blieb wie angewurzelt im Stadion stehen, um die dunkle Messe der Schweden von Ghost von Nahem zu sehen. Papa Emeritus III. und seine namenlosen Ghouls betraten im gewohnt verhüllten Gewande die Bühne und wurden mit großem Jubel und einigen Regentropfen empfangen. Der Hype um die Band besteht bekanntlich seit Längerem, nachvollziehbar ist dieser Umstand nur teilweise. Die Schweden legten von Anfang bis Ende eine solide Heavy Metal Show hin, die von ihrem klassischen Gepose untermalt wurde, boten aber dennoch keine weltbewegende Show, die den Heavy Metal neu erfinden würde. Die optische Aufmachung von Ghost ist immer wieder eine nette Abwechslung zum normalen Metal-Erscheinungsbild, ändert allerdings  nichts an der musikalischen Qualität. Insgesamt ein gelungener Auftritt, der ein wenig Varianz in den Festivaltag brachte, gleichzeitig aber nicht besonders herausstach.



Slayer
Trotz strömenden Regens füllte sich der Stehplatzbereich im Olympiastadion wieder merklich. Was kann man auch anderes erwarten, wenn der nächste Kandidat der Big Four schon bevor steht? Natürlich nichts außer beinhartes Durchhaltevermögen! Belohnt wurde das Publikum dafür sofort mit dem Titeltrack des aktuellen Albums „Repentless“, das einem schier die Festivalbändchen vom Arm riss. Altersmüdigkeit? Fehlanzeige bei der Thrash-Legende! Kerry King und seine Männer rockten und heizten wie eh und je über die Bühne und sorgten für ordentlich Dampf in dem Pulk an Leuten vor der ersten Hauptbühne. Wer vor Beginn seine Zweifel hatte, weil man Slayer ja doch bereits das ein oder andere Mal live gesehen hat, dem wurden sie binnen Sekunden weggewaschen, da Slayer wieder einmal eine unglaubliche Bühnenpräsenz an den Tag legte. Wo Slayer drauf steht, ist eben auch Slayer drin, nämlich pure Thrash-Urgewalt. Neben neuen Songs ballerten sie dem nassen, aber glücklichen Publikum auch Klassiker wie „Raining Blood“, was thematisch heute durchaus passend war, um die Ohren. Nach diesem Gig kann man wahrlich seinen imaginäre Hut vor den Männern ziehen, dass nach mittlerweile 35 Jahren Slayer immer noch einiges bei ihren Konzerten geboten ist!

Sabaton
Da der Regen einfach nicht weniger werden wollte und der wahre, hartgesottene Metaller seine Stellung nicht verlässt, blieb die Menschenmenge auch unter ordentlichen Regenfällen weiter vor der Bühne stehen. Ganz zur Freude von Sabaton, die es sich auf der zweiten Hauptbühne richtig gemütlich machten und mit ordentlich Getöse versuchten, der frierenden und trotzdem feiernden Meute einzuheizen. Mit Songs wie „Ghost Division“ oder „Carolus Rex“ kein besonders schweres Unterfangen, da das Publikum die schwedischen Überflieger feierte wie eh und je. Sabaton müssten es mittlerweile gewohnt sein (sollte man meinen), freuten sich aber dennoch sehr über das beinharte und glückliche Publikum. Die Power-Metaller wissen eben, wie man eine mitreissende Live-Performance hinlegt, die überraschenderweise immer wieder überzeugt, da ihre Silberlinge zwar durchaus Verkaufsschlager sind, sich aber gefühlt relativ schnell abnutzen. Aber wer will schon über CDs sprechen, wenn es hier doch um Live-Musik geht?! Sabaton zeigten wieder einmal eine kontinuierlich gute Leistung auf der Bühne, bei der einzig und allein ihr optisch etwas geringer Einfallsreichtum zu bemängeln wäre. So kleinlich wollen wir jetzt aber mal nicht sein, deswegen: Hut ab vor der Warm-Up Show für Iron Maiden!

Iron Maiden
Nach Sabaton wurde die Spannung im Olympiastadion groß. Die Tribüne war mehr als gefüllt, der Platz vor den Bühnen dennoch genauso, der Regen wurde langsam weniger und alles starrte auf die abgehängte linke Hauptbühne, auf der in wenigen Minuten eine DER Metal-Größen dieser Zeit auftreten sollte. Der Wettergott, Odin oder vielleicht war es eine mir unbekannte Gottheit meinte es wohl gegen Ende des Rockavarias gut mit den Fans und ließ langsam vom Regen ab – passend zum Konzertbeginn der Briten. Mit einer Viertelstunde Verspätung betraten die Männer rund um Bruce Dickinson endlich die Bühne! Die Hüllen auf der Bühne fielen und los ging es mit dem ersten Track ihres neuen Albums „If Eternity Should Fail“. Ohrenbetäubender Jubel war anschließend wenig verwunderlich, ließen sich die mittlerweile doch etwas älteren Herren diesen Umstand in keinster Weise anmerken und fegten mit einer Bühnenpräsenz umher, da könnte glatt ein James Hetfield neidisch werden. Mit im Gepäck hatten die Briten wie gewohnt eine schaurig schöne Bühnenkulisse, bei der der allseits beliebte Eddie natürlich nicht fehlen durfte. An diesem Abend kam man sogar in zwei Ausführungen in den Genuss seiner Anwesenheit: als herumlaufende Figur und als auf und ab fahrende, riesengroße Figur im Hintergrund. Da ist es wirklich egal, wie oft man Iron Maiden bereits live erleben durfte – über Eddie in jeglicher Form freut man sich einfach jedes Mal wieder wie ein kleines Schulmädchen! Musikalisch erfreuten die Briten das Münchner Publikum natürlich nicht nur mit großartigen Songs des neuen Albums „The Book Of Souls“, sondern griffen auch in die Schublade voller Klassiker. Falls es sich die Band zum Ziel gemacht hatte, München musikalisch wahrlich zu erschüttern, dann gelang ihnen dies mit ihrem Auftritt über die Maßen! Erinnert man sich an ihren Auftritt 2011 in der Olympiahalle zurück, so war dies mehr als beeindruckend. 2016 im Olympiastadion gelang es den langjährigen Vertretern der New Wave of British Heavy Metal erneut, einen neuen Maßstab an musikalischer Genialität in München zu setzen. Somit beendete die Band das Rockavaria-Festival, so wie im Jahr zuvor schon Metallica, würdevoll und mit jeder Menge Leidenschaft und hinterließ – wie konnte es auch anders sein – ein überglückliches Publikum, für das das Abschlusskonzert mit dem größten Vergnügen die ein oder andere Stunde länger hätte gehen dürfen.

Fazit des Festivals
Mittlerweile wurde das Rockavaria zum zweiten Mal im Olympiapark in München veranstaltet. Im Vergleich zum Vorjahr konnte das Festival einen leichten Besucherrückgang verzeichnen und hatte ein wenig mehr Pech mit dem Wetter (hoffentlich ist der Wettergott im kommenden Jahr etwas gnädiger). Line-Up-mäßig hat sich das Festival etwas verkleinert, was daran lag, dass die Bühnensituation verändert wurde, um Überschneidungen größtenteils zu vermeiden. Ein näherer Blick ins Line-Up zeigte, dass die Veranstalter sich ein wenig an Rock im Park bezüglich des Mischverhältnisses der Bands orientiert hatten. Das Problem an der Sache ist allerdings die verhältnismäßig geringe Anzahl an Bands, durch die eine derartig große stilistische Varianz zu breit wird. Aber was soll‘s, die Veranstalter haben es ja schließlich gut gemeint. Wie schon erwähnt war musikalisch allerhand geboten: von Prog und Post Rock über Symphonic und Power Metal bis hin zu Thrash und Death Metal war alles dabei! Die Bühnensituation war in diesem Jahr deutlich angenehmer und verursachte weniger hin und her Gerenne zwischen den Bühnen. Dennoch wäre es an der einen oder anderen Stelle wünschenswert gewesen, ein paar Minuten länger Pause zwischen den Bands auf den Hauptbühnen zu haben, um sich auf den musikalischen Wechsel vorbereiten zu können. Weiter wurde die Toilettensituation im Stadion direkt für einige Personen im Publikum zum Problem. Becher gefüllt mit Flüssigkeiten, die garantiert nicht zum Trinken gedacht waren, wurden wiederholt auf dem Boden, in der Luft oder direkt auf Leuten gesichtet. Es bleibt weiter zu hoffen, dass sich die Veranstalter für dieses mehr als ekelhafte Problem 2017 eine Lösung einfallen lassen. Ein Blick zur Verpflegung zeigte eine große Vielfalt was sowohl das Essen als auch die Getränke betraf. Die Preise für Cocktails (0,25 l für 8 €, 0,4 l für 11 €) ließen einem kurz das Herz in die Hosentasche oder das Geld aus dem Portemonnaie rutschen. Dazu kann man leider nur sagen: Herzlich willkommen in München! Insgesamt zeigte sich das diesjährige Rockavaria-Festival mit deutlichen Verbesserungen zum Vorjahr – bietet aber dennoch Spielraum nach oben. Die bisherigen zwei Durchläufe des Festivals sind – abgesehen von ein paar verbrannten T-Shirt und Haaren während In Extremo – relativ glatt über die Bühne gelaufen. Es bleibt zu hoffen, dass das Festival einen festen Stand in der bayrischen Hauptstadt finden wird und noch seinen eigenen, unverkennbaren Stil entwickelt!

Text: Conny Pläsken / Manuel Miksche
Bilder: Manuel Miksche