Bang Your Head 2016 - Nachbericht

Jahr ein, Jahr aus setzen sich tausende Metalheads in Bewegung, um über Baden-Württemberg herzufallen. Von 14. Bis 16. Juli fand mittlerweile zum 21. Mal das Bang Your Head Festival im beschaulichen Balingen statt. Anlässlich zum 20. Jubiläum im Vorjahr wurde bereits am Mittwoch eine Warm-Up Show veranstaltet und der dritte Festivaltag eingeführt. Da die Resonanz darauf so groß war, behielten die Veranstalter des Festivals auch 2016 diese Neuerungen bei. Als Headliner lockten in diesem Jahr Slayer, Carcass, Iced Earth, Dirkschneider, Testament und Twisted Sister, die sich auf ihrer Abschiedstour befinden und damit auch das Bang Your Head mit einem letzten Auftritt beehrten.

Die Bands

Die Warm-Up Show hatte dieses Jahr wieder jede Menge zu bieten. Für uns begann der inoffizielle erste Festivaltag mit der Hardcore-Größe Pro-Pain. Die Amerikaner legten die Messlatte hoch an, denn durch und durch motiviert rissen sie ganze Häuser ab – und das Publikum machte direkt mit. Auf diesem Niveau ging es direkt weiter, als die Deutschen von Rage als nächstes die Bühne betraten. Dass es den Heavy Metallern aus Herne nicht an Erfahrung fehlt, war bereits im Vorfeld klar. Dennoch überraschten sie mit ihrer Präzision und Hingabe zur Musik – und genau bei dieser Art von Auftritten macht es besonders Spaß zuzusehen. Das Ende des Warm-Up Tages wurde vom Thrash Metal dominiert. Zunächst hatten Sodom die Ehre, der hungrigen Meute weiter einzuheizen. Allerdings hatten Tom Angelripper und seine Kollegen wohl nicht den besten Tag erwischt, denn sie lieferten nur eine mittelmäßige Show ab, die nicht an das herankam, was man sonst von den Deutschen gewohnt war. Damit war es an Overkill, das Ende glamouröser zu gestalten. In der Tat gelang ihnen das auch, nämlich mit dem gewohnt fiesen Gesang von Bobby „Blitz“ Ellsworth, der den schnellen Riffs seine spezielle Note verleiht und den Sound der New Yorker ausmacht. Ein tolles Highlight für den inoffiziellen ersten Festivaltag, der die Vorfreude auf die drei Haupttage nur noch weiter steigerte.

Am ersten offiziellen Festivaltag, dem Donnerstag, versprach die Running Order durchaus musikalische Abwechslung. Wir eröffneten den Tag mit den Finnen von Battle Beast. Auffallend war, dass ein großer Teil des Publikums entweder gleichzeitig gewisse Örtlichkeiten aufsuchen musste, Hunger hatte oder die Stände durchforsten wollten, da es vor der Bühne deutlich leerer wurde. Dies sollte aber nicht heißen, dass die Verbliebenen deshalb für weniger Stimmung sorgten. Der etwas Keyboard lastige Heavy Metal in Kombination mit dem kratzigen Gesang von Noora Louhimo war zwar sicherlich nicht jedermanns Geschmack, kam aber bei den Anwesenden sehr gut an. Wenig später wurden wir Zeugen, wie Dragonforce die Power Metal Herzen höher schlagen ließen. Bei den Engländern scheiden sich oftmals die Geister, da nicht jeder ihren Sound zu schätzen weiß. Dem Sextett ist dieser Umstand jedoch völlig egal, denn sie zogen wie immer mit ihren teuflisch flinken Fingern eine Show ab, bei der sich andere Bands zum Teil noch eine Scheibe abschneiden könnten. Die Fans waren begeistert und wir ebenfalls. Zu etwas späterer Stunde war es an der Zeit, sich etwas härteren Klängen zuzuwenden, denn Carcass standen als Nächste auf unserer Liste. Obwohl Death Metal nicht unbedingt das klassische Genre auf dem Bang Your Head-Festival ist, verstecken sich jedes Jahr wieder ein paar wenige Namen im Programm. Eine nette Abwechslung also zum bisherigen Tag, der im Vergleich doch etwas softerer Natur war. Die Band, die aus Liverpool stammt, ist für ihre Wandelbarkeit bekannt, was sich in ihren Liedern spiegelt. Neben klassisch-straighten Death Metal Nummern, die ein Geknüppel sind, dass es gerade schön ist, haben die Männer allerdings auch melodischere Songs auf Lager, die Fans des klassischen Melodic Death Metals neugierig machten. Mit diesem Abwechslungsreichtum schafften sie eine tolle Stimmung, die die ideale Vorbereitung auf eine DER Thrash Legenden war. Was jetzt kommt, kann man sich sicherlich denken, denn die nächste Band war niemand geringeres als Slayer. Für die Band bei weitem nicht ihr erster Auftritt im schwäbischen Balingen, weshalb sie immer wieder gerne auf dem BYH auftraten. Die Menge vor der Bühne hatte signifikant zugenommen und alles wartete sehnsüchtig auf die Amerikaner, die egal wie oft man sie schon gesehen hat, immer wieder sehenswert sind. Denn das muss man den Thrashern einfach lassen: Sie kombinieren unglaubliche Bühnenerfahrung mit klassischen Thrash und geballter Leidenschaft, die sie zu jedem Auftritt wieder auf die Bühne mitbringen. Dass das Publikum da ausflippt ist weniger verwunderlich. Wer Slayer kennt, weiß, worauf er oder sie sich eingelassen hat und auch, was das Highlight ihrer Show sein wird: „Raining Blood“. Nur wenige Bands haben es geschafft, ein spezielles Lied zu solch einem Klassiker werden zu lassen, wie es die Amerikaner offenbar geschafft haben. Kaum ertönten die Anfangsdrums, ging das Geschrei und der Jubel noch einmal in andere Sphären und machte die Band zum Höhepunkt des gesamten ersten Tages.

Der Freitag startete verhältnismäßig wieder etwas ruhiger mit Impellitteri, deren Name auf den Lead Gitarristen der Band Chris Impellitteri zurückgeht. Obwohl sie sich selbst dem klassischen Heavy Metal zuordnen, ist die Band ganz und gar nicht langweilig, denn im Zentrum der Musik steht die Gitarre bzw. die Gitarrensoli von Chris. Was musikalisch betrachtet äußerst beeindruckend ist, wie hoch komplexe Soli mit einer Leichtigkeit vom Brett gerissen werden, riecht von außen betrachtet leider auch etwas nach Ego-Show. Aber Ego hin oder her, Impellitteri lieferten einen rundum professionellen Gig ab. Im Anschluss standen bereits Sacred Reich in den Startlöchern, um den Festivalbesuchern auf dem Bang Your Head eine ordentliche Show zu bieten. Dafür hatten sich genügend Thrash Metal Fans auf dem Messegelände versammelt, die einfach nur Bock hatten so richtig abzufeiern. Und genau das schafften die Amerikaner auch, denn ihre ganz eigene Kombination aus Speed und Thrash lud förmlich zu headbangen ein und perfekt für diesen Freitag Nachmittag. Nach Sacred Reich übernahmen die Kollegen von Metal Church die Bühne. Jetzt wurde es richtig spannend, denn es gab vor einigen Monaten einen Besetzungswechsel innerhalb der Band, der dazu führte, dass der ehemalige Sänger Mike Howe reaktiviert wurde und seinen Weg zurück in die Band fand. Dass hier einige Fans im ersten Moment skeptisch waren, ist ihnen nicht zu verdenken. Diese wurde allerdings schnell ausgeräumt, als die Metaller loslegten. Dynamischer denn je präsentierte sich der Sänger und performte gut gelaunt, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Eine wahre Freude für jeden Fan der Band, denn es war, als würde die Band plötzlich in neuem Glanz erstrahlen. Wer jetzt dachte, dass es nicht mehr besser werden konnte, der irrte gewaltig, denn es ging mit etwas schnelleren Riffs weiter. Annihilator waren zur Freude vieler Metalheads die nächsten auf dem Messegelände. Auftritte der kanadischen Thrash Metaller sind jedes Mal wieder einen Besuch wert – allein schon wegen dem Lead Gitarristen und Sänger Jeff Waters. Selten erlebt man einen Frontmann einer Band, der so redselig ist und dabei so viel Witz versprüht wie er es tut. Hinzu kommt natürlich sein musikalisches Talent, das die Band bereits seit Jahrzehnten ausmacht. Wie jede andere Band hatten Annihilator über die Jahre diverse Höhen und Tiefen, doch seit einigen Jahren haben sie wieder zu alter Stärke zurückgefunden und liefern immer wieder eine Show der Luxusklasse ab. Und genau mit diesem Niveau ging es Schlag auf Schlag weiter, als im Anschluss Testament auf der Bühne erschienen. Man sieht, es war wieder ein verdammt guter Tag für alle Thrash Fans. Wie zuvor schon Annihilator sind auch Testament einfach ein Muss. Die Amerikaner stehen mittlerweile seit 30 Jahren auf der Bühne und veröffentlichen dennoch immer wieder eine neue Hammer-Scheibe, bei der man sich fragt, wo sie nur ihre unglaublichen Ideen hernehmen. Damit nicht genug können Chuck Billy und seine Männer diese Kunstwerke auch live perfekt umsetzen und ihr Publikum binnen Sekunden für sich gewinnen. Eine Wahnsinns Show, die am besten niemals enden hätte sollen. Um dem Tag noch seine Krönung zu verleihen, war der folgende Act ein wahrliches Highlight, denn es handelte sich um niemand Geringeren als Twisted Sister, die sich auf ihrer Abschiedstournee befanden. Nach mittlerweile 43 Jahren auf der Bühne reichte es Dee Snider und seinen Bandkollegen. Was einerseits ein sehr trauriger Anlass war, war andererseits auch ein besonderer Moment, denn das Bang Your Head durfte Teil von etwas Großem werden. Wer hier jedoch dachte, es würden ein paar alte, gebrechliche Männer auf der Bühne erscheinen, die ein letztes Mal ihre Setlist durchziehen, der lag falsch, denn speziell von Dee Snider können einige Musiker noch etwas lernen. Mit langer, weißer Wallemähne stand der Frontmann der Glam Rocker auf der Bühne und war auch nach Jahren über Jahren nicht müde, eine geile Show durchzuziehen. Wenn man die Herren so auf der Bühne sah, fragte man sich schon, warum sie überhaupt ihre Karriere an den Nagel hängen, denn sie sprangen herum als wären sie wieder 30. Neben ihrer überzeugenden und in den Bann ziehenden Performance war auch ihre Songauswahl vom Feinsten. Da kamen sowohl Fans als auch Neugierige voll und ganz auf ihre Kosten. Umso größer der Verlust für die Musikwelt, dass eine wahre Größe wie Twisted Sister aufhört. Doch früher oder später ist es bedauerlicherweise soweit. Umso schöner war es deshalb, dass das Festival einer von vielen Zwischenstopps auf ihrer Abschieds-Tournee war.

Wer sich am Nachmittag des letzten Festivaltages noch immer etwas müde und schlapp fühlte, dem konnte man nur raten bei Tankard vorbeizuschauen. Denn hier bekommt man immer das, was man erwartet: jede Menge gute Laune gepaart mit Thrash Metal. Dafür sind die Deutschen aus Frankfurt am Main nicht erst seit gestern bekannt. Dementsprechend sorgten sie für ein stimmiges Nachmittags-Programm, bei dem viel Spaß geboten war. Weil es gerade so schön war, blieben wir bei deutschen Bands, weshalb als nächstes Grave Digger angesagt war. Bei den Power Metallern aus Gladbeck weiß man nie so recht, was auf einen zukommt. Umso gespannter waren wir auf ihren heutigen Auftritt. Nicht ganz in Höchstform spielten Chris Boltendahl und Co., die ebenfalls schon einige Jährchen Bühnenerfahrung auf dem Buckel haben. Trotz positiver Resonanz des Publikums lieferte die Band hier nicht ihren besten Auftritt ab, aber natürlich bei Weitem auch nicht ihren Schlechtesten. Mit einer wahren Legende aus den 60er Jahren ging es wenig später weiter, denn es war an der Zeit für Uriah Heep. Trotz des Stilbruchs wanderte die Menge vor der Bühne nicht ab, sondern wurde im Gegenteil nur noch größer, denn seien wir mal ehrlich, wer möchte nicht einer Legende live auf der Bühne zusehen? Die Erwartungen an die Band konnten definitiv erfüllt werden, denn die Alt-60er konnten auch 47 Jahre nach ihrer Gründung mit klassisch eingängigem Hard Rock überzeugen, der Generationen übergreifend gut ankommt. Uriah Heep gehört einfach zu den Bands, die man sich immer anhören kann und bei denen es eine wahre Ehre war, einmal live dabei sein zu dürfen. Stark sollte es auch weitergehen, denn der nächste Act auf dem Messegelände war niemand geringeres als Dirkschneider. Der ehemalige Sänger der deutschen Heavy Metal Größe Accept stieg bereits Ende der 80er Jahre aus der Band aus und konzentrierte sich mehr auf seine Soloprojekte. Anfangs noch als U.D.O. unterwegs, tourt er jetzt mit der Band Dirkschneider, mit der er trotz eigener Stücke natürlich auch die bekanntesten Accept-Songs zu m Besten gibt, denn wenn man von Udo Dirkschneider hört, muss man unweigerlich an Accept denken. Und genau diesen Effekt macht sich der Sänger zu Nutze. Mithilfe einer guten Portion Heavy Metal kam wieder ordentlich Bewegung in die Menge, die den Auftritt der Deutschen standesgemäß zelebrierte. Ein wahrlich gelungener letzter Festivaltag, der kaum Wünsche offenließ.

Das Festival

Neben zahlreicher Bands war auf dem Bang Your Head noch einiges mehr geboten. Wie gewohnt tummelten sich Händler aller Art auf dem Gelände, so dass für jeden etwas dabei war. Die Besucher kamen also gar nicht aus, bei der ein oder anderen CD oder einem Shirt schwach zu werden. Bei der Essensauswahl hatte sich im Vergleich zum Vorjahr nicht sonderlich etwas getan. An der Qualität allerdings schon. Warum auch immer, die Käsespätzle und andere Spezialitäten vor Ort hatten schon bessere Tage erlebt, weshalb zu hoffen ist, dass sich dieser Umstand 2017 wieder bessern wird. Was außerdem etwas negativ auffiel, war der Pressebereich des Festivals. An Platz mangelte es nicht, jedoch an Arbeitsatmosphäre, da es kein WLAN gab. Das macht das Arbeiten auf dem Festival nicht besonders angenehm, da diverse Recherchen und Aktualisierungen der Online-Medien einfach den Zugang zum Internet benötigen. So passend der Bereich auch sonst war, dieser Punkt wird in Zukunft hoffentlich noch überarbeitet, da WLAN für die Presse mittlerweile eigentlich zum Standard auf Festivals gehört. Doch zurück zum Festival selbst. Wie immer war die Stimmung am Bang Your Head sehr gut und es machte rundum Spaß, ein Teil davon zu sein. Zwar hätten ein paar Sonnenstrahlen mehr scheinen dürfen, aber daran kann man ja bekanntlich nichts ändern. Insgesamt also ein sehr gelungenes Festival, das mit seiner angenehmen Größe und tollen Auswahl an Bands zu meinen persönlichen Favoriten zählt.

Text: Conny Pläsken